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Archiv-Artikel

Rechtschreiberei nervt Schulbuchverlage

Verlage wehren sich gegen „Spiegel“, „Bild“ und „Süddeutsche Zeitung“: Eine Reform der Rechtschreibreform würde allein 10.000 Schulbuchtitel treffen, die Kosten von 250 Millionen Euro zumeist die Eltern treffen. Neuer Duden erscheint wie geplant

VON STEFFEN GRIMBERG

Die neue Kontroverse um die alte Rechtschreibung ruft nun die Schulbuchverlage auf den Plan. Ein Rückfall in die Vergangenheit würde Kosten in Höhe von rund 250 Millionen Euro nach sich ziehen, schätzt der Branchenverband VdS Bildungsmedien. Dies aber könnten die maroden Bildungsetats der Länder nicht verkraften. „In den letzten Jahren wurden die für Neuanschaffungen vorhandenen Gelder halbiert, da ist kein Geld da“, heißt es beim Cornelsen-Verlag, mit 340 Millionen Euro Jahresumsatz einer der Großen der Branche. Am Freitag hatte eine gemeinsame Kampagne von Spiegel und Axel Springer AG für ihre Titel eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung angekündigt. Die Süddeutsche Zeitung schloss sich am Samstag an.

Seit August 1998 ist die neue Rechtschreibung im Schulunterricht amtlich vorgeschrieben. Der Verlag müsste mindestens 3.000 Titel umstellen, sagte Cornelsen-Sprecherin Irina Pächnatz der taz, pro Titel koste dies je nach Aufwand zwischen 6.000 und 15.000 Euro. Ähnliche Summen seien auch 1998 angefallen. „Wir müssten da wirklich an das Komplettangebot. Selbst wenn wir noch Altbestände in alter Rechtschreibung hätten, wären die wegen neuer Unterrichtsrichtlinien in den meisten Bundesländern nicht zu gebrauchen“, sagte Pächnatz. Nach VdS-Angaben wären rund 10.000 verschiedene Schulbuchtitel und zahlreiche andere Unterrichtsmedien von der Reformumkehr betroffen. Erschwerend komme hinzu, dass Schulbuchverlage verpflichtet sind, ihre Lehrwerke für Nachkäufe der Schulen bis zu fünf Jahre bereitzuhalten.

Da die Lehrmittelfreiheit immer weiter eingeschränkt würde, kämen vor allem auf die Eltern erhebliche Kosten zu. 2003 hätten diese für rund 200 Millonen Euro Schulbücher gekauft, so der Verband. Die Diskussion sei außerdem „aus Sicht der Schüler vollkommen unsinnig“ und würde ihre Belange auch nirgendwo berücksichtigen, erklärt Pächnatz: „Sechs Millionen Grundschüler haben in diesen sechs Jahren ausschließlich die neue Rechtschreibung gelernt.“

Dass ausgerechnet die Union- Ministerpräsidenten Christian Wulff (Niedersachsen) und Peter Müller (Saarland) zur alten Rechtschreibung zurückkehren wollen, bringt Pächnatz besonders auf: Weil dort die Lehrmittelfreiheit komplett abgeschafft wurde, müssten die Eltern die Reform der Reform ganz allein bezahlen. „Das sollten die Herren dann doch auch mal erwähnen.“

Cornelsen geht wie der Duden-Verleger Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG davon aus, dass es bei der von der Kultusministerkonferenz im Juni bekräftigten neuen Rechtschreibung bleibt. „Wir haben klare Beschlüsse, auf diesen basiert auch der neue Duden“, sagt Verlagssprecher Klaus Holoch. Die aktuelle Ausgabe erscheine planmäßig am 28. August und werde keinesfalls eingestampft. Bei der „ungewöhnlichen Allianz“ von Frankfurter Allgemeine Zeitung, die bereits seit 2001 wieder in alter Rechtschreibung erscheint, über Bild bis zum Spiegel sei außerdem von der Rückkehr zu einer „klassischen Rechtschreibung“ die Rede – „jetzt sind wir gespannt, wie das aussieht“, sagt Holoch. An einer Kostendiskussion beteilige sich der Verlag nicht: „Wir gehen davon aus, dass alles so bleibt.“