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Archiv-Artikel

Ein Crashkurs für ErzieherInnen

Paritätischer Wohlfahrtsverband startet in 35 Kitas mit Sprachförderkonzept für Dreijährige. Weil die Stadt nichts dazugibt, müssen Kitas das selbst zahlen. Ergebnisse der Erstuntersuchung von 16.000 vierjährigen Kindern immer noch nicht da

Martin Peters: „Wir wollen für Chancengerechtigkeit sorgen“

von KAIJA KUTTER

Es ist erst wenige Monate her, da trommelte Ex-Bildungssenator Reinhard Soltau (FDP) für die Sprachförderung in Vorschulen und Kitas. 16.000 Kinder im Alter zwischen vier und fünf Jahren sollten im Zeitraum von Januar bis März von Schulleitern untersucht und anschließend, so das damalige Versprechen, auch angemessen gefördert werden.

Doch nach der Wahl, so kritisiert die SPD-Politikerin Britta Ernst, sei das Interesse des mit absoluter Mehrheit regierenden CDU-Senats für die Sprachförderung eingeschlafen. Noch nicht einmal die Zahlen über den ermittelten Förderbedarf will die Bildungsbehörde veröffentlichen, was Ernst „skandalös“ nennt: „Ich vermute, der liegt zwischen 30 und 60 Prozent. Die Zahlen werden zurückgehalten, weil die Folgekosten zu hoch wären.“

Immerhin 13.049 von 15.279 Kindern des Einschulungsjahrgangs 2005/06 waren beim Schulleiter um die Ecke erschienen, das wenigstens antwortete der Senat auf eine „große Anfrage“ der SPD zum Thema. Doch wie, wer, wann nun gefördert werden müsste, das ist Gegenstand einer „Gesamtauswertung“ des Landesinstituts für Lehrerbildung (LI), die noch nicht fertig sein soll.

Ohnehin nie viel gehalten von diesem Vorgehen hat Martin Peters vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der in Hamburg rund 170 Kitas vertritt. „Die Fachöffentlichkeit schlägt über das, was in Hamburg passiert, die Hände überm Kopf zusammen“, erklärt er der taz. Sprachförderung, so Peters, habe viel früher zu beginnen: „Wir wollen nicht mit fünf reparieren. Wir wollen mit drei Jahren für Chancengerechtigkeit bei den Migrantenkindern sorgen.“ Denn wenn diese nicht bis zum Schuleintritt einen Grundwortschatz von 3.500 Wörtern im Deutschen haben, hätten sie im Unterricht „keine Chance“.

Peters hat sich bundesweit auf dem Markt für Sprachförderprogramme umgeschaut und ist auf das Konzept von Roger Loos gestoßen (www.zweitspracherwerb.com). Was der Sozialpädagoge Loos in den 90ern für die Migrantenkinder der Stadt Köln entwickelte, wurde mittlerweile in weiteren Ruhrgebietsstädten wie Duisburg eingeführt. Peters: „Die Lehrer berichten, es sei signifikant besser geworden.“

Die ErzieherInnen bekommen in einem dreitägigen Workshop Materialien und Methoden an die Hand. Die Kinder werden zuvor nach einem vom Münchner Institut für Frühpädagogik entwickelten Fragebogen in ihren Sprachstand nach Gruppen eingestuft. Die Förderung findet dann zwei- bis dreimal wöchentlich früh morgens von 8 bis 9 Uhr mit einer kleinen Gruppe von Kindern statt. Dort werden täglich sieben Wörter gelernt, etwa beim Basteln mit einem Hampelmann die Wörter „der Arm, der Bauch, das Bein, der Fuß, das Knie, dick, warm“, sowie Lieder und Reime, die im Laufe des Tages wiederholt werden. Auch wird das gelernte auf Karten dokumentiert, so dass KollegInnen bei Personalwechsel mühelos anknüpfen können.

„Es ist eine Art Crashkurs für ErzieherInnen. Die Kinder haben drei Jahre Zeit, den Grundwortschatz zu erlernen“, erklärt Roger Loos. Für die Eltern ist das Angebot kostenlos, sie müssen aber einen Kontrakt unterzeichnen, in dem sie zusichern, dass sie zu Hause mehr mit ihren Kindern sprechen und sie am Morgen kein Fernsehen schauen lassen, damit die Kinder sich konzentrieren können.

Loos kann sich zurzeit vor Nachfragen kaum retten. „Ich bin mit allen Kita-Trägern in Verhandlung“, berichtet er. „Es mag noch bessere Konzepte geben“, sagt Martin Peters, „aber dieses ist ein gangbarer Weg in einer Zeit, wo keine Ressourcen übrig sind.“ Da ErzieherInnen die Förderung vornehmen, muss lediglich die Fortbildung für 35 Kitas in Höhe von 50.000 Euro bezahlt werden. Doch ein Antrag an die Sozialbehörde, hiervon 15.000 Euro zu übernehmen, wurde abgelehnt. „Fachlich unterstützen wir das“, sagt Sprecherin Anika Wichert. Doch da der Sprachförderungsetat von 2 Millionen Euro für 2004 ausgeschöpft sei, müssten die Kita-Verbände dies „aus eigner Kraft“ finanzieren.

Grafiktext:

Ohne weitere Worte Cartoon: www.zweitspracherwerb.com