Der Klotz am Bein des Bethanien

Seit Jahren versucht der Bezirk das Kreuzberger Bethanien zu verkaufen. Jetzt hat sich offenbar ein Investor gefunden und schon sollen soziale Projekte ausziehen. Folgen auch die kulturellen und bleibt es beim Verkaufspreis von 1 Euro?

Das Renommee und seine „linke“ Geschichte reichen in Zeiten knapper Kassen selbst einem Projekt wie dem Kreuzberger Bethanien nicht mehr, seine Existenz zu sichern. Im Gegenteil. Weil der Bezirk nicht mehr bereit ist, das Gebäude am Mariannenplatz und die dortigen sozialen und künstlerischen Institutionen zu finanzieren, sollen das Haus veräußert und Nutzern gekündigt werden. Dass dabei einem der größten Mieter, der Künstlerhaus Bethanien GmbH, auch der Räumungsbescheid auf den Tisch flattert, ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Das Bethanien war Anfang der 70er-Jahre besetzt und später vom Bezirk in Trägerschaft übernommen worden. Seither finanziert es die dort angesiedelten Projekte und sozialen Einrichtungen – zum Teil zu einhundert Prozent.

Schon länger versucht der Bezirk das Hauptgebäude zu verkaufen. Nach einem jetzt abgeschlossenen Interessenbekundungsverfahren soll sich die M+R Arend GmbH (Bad Homburg) bereit erklärt haben, den Komplex zu übernehmen. Arend war 1998 beim erfolglosen Verkauf um das Metropol in Berlin in Erscheinung getreten.

Den Namen des Investors will Bürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) nicht bestätigen – aber auch nicht dementieren. Geplant sei, dort weiterhin „im Wesentlichen“ kulturelle Einrichtungen unterzubringen, sagte sie zur taz. Außerdem hoffe Friedrichshain-Kreuzberg, sich noch in diesem Herbst mit dem Investor einigen zu können.

Läuft alles wie besagt, wäre wenig dagegen einzuwenden: Ein potenter Investor, der das Bethanien kauft, das marode Ding saniert und die Kultur fördert, wäre willkommen. Problematisch aber ist, dass die geplante Veräußerung sowohl für die sozialen als auch die künstlerischen Projekte und selbst für den Finanzsenator sich klar zum Nachteil entwickeln könnte.

Indizien dafür sind, dass vor einer guten Wochen etwa soziale Einrichtungen schon einmal die vorläufige Kündigung erhalten haben. Weil das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg daran interessiert sei, „für eine veränderte Nutzung mit einem geeigneten Investor in Verhandlungen zu treten“, könnten „perspektivisch auch nicht mehr alle bisherigen Nutzer die gegenwärtig zur Verfügung gestellten Räume angeboten bekommen“, heißt es in einem Schreiben an die Kita Kreuzberg-Nord, das der taz vorliegt. Die Kita habe sich darauf einzurichten, dass bis 1. August 2005 „ein Freizug erfolgen muss“. Das hieße, „wir und andere soziale Einrichtungen wären der Klotz am Bein und fliegen raus“, so der Leiter der Kinderbetreuung.

Christoph Tannert, Chef des Künstlerhauses Bethanien, begrüßte zwar die Ankündigung der Bürgermeisterin und des Investors, die kulturellen Institutionen stärken zu wollen. Nicht glücklich aber ist er darüber, dass es offenbar keine Verabredung über Nutzungs- und Mietverträge gibt. „Was tun wir, wenn der neue Investor die Verträge kippt?“, sagte Tannert zur taz – und erinnerte daran, dass es gar keinen festen Mietvertrag zwischen Bezirk und dem Künstlerhaus gibt.

Schließlich ist davon die Rede, dass das Haus für einen symbolischen Euro an die M+R Arend verkauft werden soll – was beim Finanzsenator auf Ablehnung stoßen würde. „Davon kann gar nicht die Rede sein“, kontert Reinauer derartige Gerüchte. Dem Investor sei der Komplex in Höhe seines Verkehrswertes angeboten worden. Wie hoch der Verkehrswert der Immobilie sei, wusste sie allerdings nicht. Auch nicht wie hoch die „Gegenrechnung für die Sanierung“ ist. „Denn das muss man dann abziehen“, so Reinauer. Richtig. Und manchmal bleibt dann doch nur ein Euro – siehe Filmstudios Babelsberg. ROLA