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Archiv-Artikel

Kritische Zone

Weltcup der Triathleten am Wochenende in Hamburg: Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage fällt zumeist in der vierten Disziplin

Vaseline und Babypuder zum reibungslosen Flutschen

aus HamburgHOLGER SCHLEPER

Hamburgs City wird am Wochenende Austragungsort des Triathlon-Weltcups sein. Zahlreiche Weltklasseathleten werden sich in der aus 1.500 Meter Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10.000 Meter Laufen kombinierten Sportart messen. Das Geheimnis des Erfolges liegt dabei aber nicht auf der Strecke, sondern in der Wechselzone.

„Nach dem Schwimmen oder Radfahren hast du Blut in Armen oder Beinen, nicht mehr im Kopf.“ Eine einleuchtende Erklärung von Nils Sienknecht, dem mehrfachen Hamburger Triathlonmeister, warum in der Wechselzone des öfteren akribisch vorausplanende Musterathleten zu Störchen im Salat werden. Grund genug, den schicksalsträchtigen Sektor zum Bestandteil des Trainings zu machen. Skurrile Übungen wie das wiederholte Auf- und Abziehen eines Fahrradhelms im Dunkeln oder das Ausstrampeln des Neoprenanzuges sind unerlässlich.

Dennoch: Um wirklich vorn zu sein, muss der Athlet auch in der Hausmittelmaterialschlacht gerüstet sein. Vaseline, um schnell aus dem Schwimmanzug zu flutschen, und Babypuder für den reibungslosen Einstieg in Lauf- und Rennschuhe gehören dazu. Für die Radschuhe gilt auch, dass der gewissenhafte Triathlet sie vor dem Losstrampeln mit Pflastern, Tesafilm und Gummibändern auf der Pedale in Startposition bringt.

Alle Prävention verhindert dennoch nicht, dass den heutigen Spitzen-Triathleten so mancher Wechsel spanisch vorkommt. Dafür sorgt das Team um Ivan Raña, dem spanischen Weltmeister. „Rañas Mitstreiter sind nur dazu da, andere Athleten aufzuhalten, auch in der Wechselzone“, weiß Frank Wechsel, offizieller Fotograf der Internationalen Triathlon-Union (ITU). Häufig bedarf es aber nicht einmal der iberischen Wand, um Triathleten vor den Kopf zu stoßen. Das fehlende Blut im Kopf erschwert die vierte Disziplin.

Manche gehen die Laufstrecke mit dem Fahrradhelm auf dem Kopf oder aber mit den falschen Schuhen an, was nachfolgenden rechtmäßigen Besitzern einiges Kopfzerbrechen bereitet. Andere können ihr Fahrrad im Velowald partout nicht wiederentdecken, weshalb die ultraleichten Rennmaschinen mit Luftballons versehen werden. Des Öfteren befestigten einige Sportler auch die Pedalschuhe seitenverkehrt. „Die heulende Meute“, wie Frank Wechsel die sich umziehenden Triathleten beschreibt, wird so schnell recht kleinlaut.

Als schwacher Trost könnte dienen, dass Triathlon häufig als gesündeste Sportart überhaupt genannt wird. Zweifel sind angebracht. „Ein Profi-Triathlet hat ein Immunsystem wie ein HIV-Positiver“, warnt Nils Sienknecht. „Thomas Hellriegel beispielsweise, ein deutscher Weltklassetriathlet, konnte bei weniger als vier Prozent Körperfett nur noch im Neoprenanzug seine Bahnen in der Schwimmhalle ziehen. Ohne wäre es zu kalt gewesen.“

Beim Thema Gesundheit blickt Nils Sienknecht auch skeptisch auf das kommende Wochenende. Der Triathlonweltcup in Hamburg wird in der Binnenalster gestartet, aus der den 26-Jährigen noch vergangene Woche zwei tote Aale anblickten. „Die kriegt man doch eigentlich nicht so schnell klein.“ In weiser Voraussicht bittet der Veranstalter die Aktiven daher, während des Schwimmens kein Wasser zu schlucken.

Ab 13 Uhr, Alsteranleger, Rathausmarkt