: Zwei freunde sollt ihr sein
Gerhard Marcks hat die medaille der Olympischen Spiele 1972 gestaltet – der weg dahin findet sich im Gerhard-Marcks-Haus
Laut tagebuch von 1971 war es sein 740. werk in bronze. „Olympia-plakette (Dioskuren) 6 cm rückseite“ steht da in klassischem königsblau, und bei der „6“ weiß man nicht genau, ob sie nicht doch eine „8“ ist. Da hat er ausgebessert. Was allerdings nichts überraschendes ist: Gerhard Marcks war pedant, wenn es um die archivierung und dokumentation der eigenen arbeit ging. Von der kinderzeichnung bis zum alterswerk hat er jede skizze aufbewahrt und jedes tagwerk penibel verzeichnet – als hätte er sein leben lang damit gerechnet, dass der nachwelt einmal nach einer eingehenden beschäftigung mit seinem werk sein würde.
In den 1970er jahren allerdings war „Marcks kein gesellschaftlich agiler künstler mehr, keiner, der sich bewirbt“ so Arie Hartog, kustos am bremer Gerhard-Marcks-Haus. Undokumentiert ist also, ob die medaille für die Olympischen Spiele in München 1972 eine auftragsarbeit war oder nicht. Hartok vermutet, dass Marcks der auftrag von einem bekannten vermittelt wurde. Und im Bayerische Hauptmünzamt, das die medaillen seinerzeit herstellte, heißt es: Die leute von damals seien alle längst in rente. Ansonsten habe man bis ende august betriebsferien.
Also weiter zurück, tiefer hinein ins archiv des Gerhard-Marcks-Hauses, eine „der größten sammlungen eines einzelkünstlers weltweit“, so Hartog. Mit etlichen zeichnungen der kategorie „zwei stehende männer“ ging‘s in den 1930er jahren los, ein erster deutlicher medallien-vorläufer dann 1934 mit den „Kleinen Schwestern“. Marcks, frisch entlassen als chef der kunstgewerbeschule in Halle, zitiert Johann Gottfried Schadows bürgerliche darstellung der prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen (1795-1797) – was gut ankommt bei Marcks damaligen fans aus der bürgerlichen mittelschicht. Hartog: „Diese haben es Marcks ermöglicht, im Dritten Reich finanziell zu überleben, ohne für die nazis arbeiten zu müssen.“
Mit der Medaille gebe „Marcks in den 1970er jahren einen verweis auf die eigene tradition, den allerdings nur leute verstehen können, die ihn kennen“, sagt der kustos. Auf den ersten blick allgemein verständlich allerdings die entscheidung: keine sieger. Und nicht eine person, sondern zwei, die sich umarmen: ein freundschaftsmotiv. Benannt nach den Dioskuren, den zwillingsbrüdern Kastor und Polydeukes aus der griechischen mythologie.
Auf der rückseite der aktuellen medaille für Athen 2004 dagegen drei elemente: das olympische feuer, die ersten worte der olympischen ode von 460 vor Christus und das logo der spiele 2004. Ganz der klassiker also, gestaltet von der künstlerin Elena Votsi – deren leistung im übrigen eher im design der medaillen-vorderseite liegt: Seit 1928 prangt dort traditionell die immer gleiche sieges-göttin Nike, die Votsi für Athen 2004 neu, aber gewöhnlich pompös gestaltet hat.
1.130 gold-, 1.130 silber- und 1.150 bronzemedaillen werden ab freitag in Athen vergeben – Marcks medaille brauchte man 1972 nur 365 mal in gold, 365 mal in silber und 700 mal in bronze. Macht 1.430 Marcks-medaillen weltweit – und keine einzige mehr. Auch nicht für den nachlass, auch nicht fürs Gerhard-Marcks-Haus, auch nicht jahre später. Da bleibt dabeisein alles.
Klaus Irler
Fotohinweis: Wo Marcks motiv herkommt: Schadows klassizistische, dabei bürgerliche prinzessinnen vom ende des 18. jahrhunderts. In der mitte: die medaillen-rückseite von 1972, darunter die von 2004 Abb.: Katalog, www.athens2004.com