: Aufstieg und fall des hauses Shaw
Gegen den irrglauben vom billigen chinesen: das berliner fantasy-filmfest widmet den „Shaw Brothers“ aus Hongkong seine diesjährige retrospektive. In den studios der legendären produktionsfirma entstanden bis in die späten siebzigerjahre einige der wichtigsten kampfkunst-filme der kronkolonie
VON OLAF MÖLLER
Als er das logo der Shaw Brothers an den beginn seiner ersten „Kill Bill“-folge stellte, war Quentin Tarantino mal wieder ganz hip. Denn das logo der firma steht wie kein anderes für jenes HongKong-kino, dem der amerikanische regisseur mit seinen beiden „Kill Bill“-filmen eine hommage widmete. Allerdings hatte sich die hongkonger produktionsfirma Shaw Brothers durch ein spektakuläres geschäft da schon selbst wieder ins gespräch gebracht: durch den verkauf ihres archives an die firma Celestial, die diese bestände nun, gemeinsam mit dem filmarchiv Hongkong, wieder unter die interessierten massen bringt.
Der name Shaw steht für die größe und pracht des mandarin-kinos, jenes Strangs des filmschaffens in hongkong, der eher international ausgerichtet war – im gegensatz zum kantonesischen kino, das verleihtechnisch beschränkter und also auch ärmlicher war. Die kultkrämer vom berliner fantasy-filmfest nutzten nun die gunst der stunde und offerieren dem publikum eine hand voll vergessener meisterwerke aus dem hause Shaw.
Wenn im katalog des filmfests allerdings die rede davon ist, dass die Shaw-produktionen billigzeug gewesen seien, dann ist das blödsinn: in ihrem kontext waren es teure filme. Die rödelige ästhetik, die man hierzulande mit dem studio assoziiert, hatte weniger mit den zur verfügung stehenden budgets zu tun als vielmehr mit einem für das Hongkong jener jahre charakteristischen zeitgeist. Auf die brutal niedergeschlagenen studentenunruhen des jahres 1967, die die kronkolonie in einen politischen schockzustand versetzten, folgte eine welle des hedonismus und des geldverdienens sowie, im kino, eine verweigerung gegenüber narrativer kohärenz. Hongkonger filmkritiker sprechen von einer ästhetik des zynismus und meinen damit vor allem Shaws hauptregisseur der siebzigerjahre, Li Hanxiang. Das diktum passt aber genauso gut zu Shaws zweiter nummer eins, Chang Cheh.
Die deutschen fassungen trugen ein übriges zu dem irrglauben vom billigen chinesen bei: Oft wurden die filme sinnlos zerhackt – Chang Cheh und Ng Mas „Shaolin Temple“ (1976) wurde um rund eine dreiviertel stunde gekürzt, Law Kar-leongs „36th Chamber of Shaolin“ (1978) um rund zwanzig minuten.
Seine ersten erfolge verzeichnete das Shaw-Brothers-studio mit melodramen und kostümspektakeln, letztere oft in form von huangmei diao, einer operettenart. Zwei besonders exquisite beispiele für dieses kino, beide realisiert von Li Hanxiang in der blüte seiner künstlerjahre, liefen in den letzten beiden durchgängen des internationalen forums des jungen films: „Kingdom and the Beauty“ (1959) und „The Love Eterne“ (1963; Co-regie: King Hu Jinquan). Die revision des kampfkunstkinos aus dem geist von oper und melodram führte zur revolution dieses genres in der zweiten hälfte der sechzigerjahre, für die im kontext des fantasy-filmfest-programms die namen Chang Cheh und Law Kar-leong stehen.
1966 gilt als scheidejahr des Genres: King Hu Jinquan inszenierte „Come Drink With Me“ und Chang Cheh „Tiger Boy“, beides produktionen aus dem hause Shaw. Und Law Kar-leong und sein langjähriger Partner Tong Kai machten durch die kampfkunstchoreographie für Zhang Xinyans und Fu Qis great wall-produktion „The Jade Bow“ auf sich aufmerksam.
Die auswahl des fantasy-filmfests thematisiert die zusammenarbeit von Chang Cheh und Law Kar-Leong und damit jene radikalisierung des Kampfkunstkinos, die sich erst im swordsplay-, dann im martial arts-film und schließlich in der fusion der beiden stränge vollzog. Der martial arts-film zelebriert den waffenlosen kampf und ist weder zeitlich noch räumlich gebunden. Der swordsplay-film hingegen ist in der vergangenheit situiert – oft im „jianghu“, der mythischen Welt der fahrenden Ritter.
In den filmen, die den schwerpunkt der fantasy-filmfest-auswahl ausmachen, ist die fusion vollzogen: waffen- und faustkampf gehen nahtlos ineinander über – in Chang Chehs „the one-armed swordsman“ (1967) kann man noch erahnen, wie die reinere form des swordplay-films aussieht. Vor allem sieht man hier auch noch das romantische beziehungsweise das melodramatische moment, das so neu war zu jener zeit und das später zu den für Chang Cheh typischen exzessen aus kryptoschwulem körperkult, masochismus und todessehnsucht pervertierte.
Chang Cheh war wegweisend für die veränderungen beider richtungen: Zuerst schuf er mit „Tiger Boy“, „The One-Armed Swordsman“ und seinem größten erfolg, „Golden Swallow“ (1968) einige zentrale werke des neuen swordplay-films. Dann übertrug er seinen nihilismus auf den martial arts-film, wie etwa „Vengeance“ (1970) zeigt. Vielleicht war Chang Chehs kino ein spiegel seiner zeit: Nach den sozialen entäuschungen der späten sechzigerjahre sah er keinen grund mehr zur handwerklichen genauigkeit und damit zu einer klarheit der vision, des denkens, verzettelte sich deshalb oft in mehrere projekte gleichzeitig und verstreute seine Ideen, statt sie fein durchzuarbeiten.
Bei Law Kar-leong hingegen scheint eine soziale verortung zu fehlen: er schöpft aus seinem handwerk als kampfkünstler (er entstammt einer familie von kampfkünstlern). So endet seine entscheidende schaffensperiode mit dem ende der Shaw-Brothers-produktionstätigkeit in den achtzigerjahren, als er den Kontext seines Schaffens verlor.
Das fantasy filmfest ist bis zum 18. August im Cinemaxx am Potsdamer Platz zu sehen. Das programm findet sich unter www.fantasyfilmfest.com
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