: Studierte Härtefälle
Arbeitslose Akademiker, die noch nie eine versicherungspflichtige Festanstellung hatten, kommen schwer an vom Arbeitsamt finanzierte Fortbildungen ran. Dafür braucht es Geschick und viel Glück
von FABIAN ZAMORRA
Es soll Zeiten gegeben haben, da bot ein Studienabschluss oder ein Doktortitel hohe Sicherheit, eine Anstellung zu finden. Ruhm und Ehre waren nicht garantiert, dafür aber ein regelmäßiges Einkommen mit Anspruch auf Urlaubsgeld und Weiterbildung. Inzwischen schützen aber auch akademische Weihen nicht mehr vor der Arbeitslosigkeit.
Zwar frohlockt die Bundesanstalt für Arbeit auf ihrer Homepage, dass sich die Arbeitsmarktsituation für Akademiker grundlegend geändert habe, weil „Wirtschaftswachstum und der Strukturwandel zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft den Trend zur Höherqualifizierung begünstigen und die Berufsperspektiven der Akademiker verbessern“. Ungeachtet gelegentlicher konjunktureller „Dellen“ und vorübergehender Probleme beim „ausbildungsadäquaten Berufseinstieg“ werde der Bedarf an hochqualifiziertem Nachwuchs weiter zunehmen, prognostiziert die Bundesanstalt. Doch bevor diese rosigen Zeiten auch den letzten Arbeitslosen mit Hochschulabschluss erreicht haben, liegt vor vielen noch ein steiniger Pfad. Das Problem: Arbeitslose Absolventen, die zwar Großes für die Wissenschaft und die Erkenntnis an der Uni geleistet haben, aber noch nie eine versicherungspflichtige Festanstellung hatten, haben keinen gesetzlich fixierten Rechtsanspruch auf Fortbildungen, die das Arbeitsamt finanziert.
„Ob die Lehrgangskosten übernommen werden, überprüfen die Arbeitsämter von Fall zu Fall“, sagt Martina Barton-Ziemann von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Dieser Ermessensspielraum, weiß die Mitarbeiterin der Abteilung berufliche Weiterbildung, werde auch von den „begrenzten Haushaltsmitteln“ bestimmt.
Grundsätzlich prüfe das Arbeitsamt, ob es „Qualifikationsdefizite“ gebe. Darüber hinaus müsse die Chance, dass „eine weitere Qualifizierung zu einem Arbeitsplatz führt“, hoch sein. Doch selbst wenn das Amt einen Lehrgang finanziert: Für den Unterhalt muss der studierte oder promovierte Arbeitslose, der niemals in die Solidarkassen eingezahlt hat, in der Regel allein aufkommen.
Diese Erfahrung musste auch der Berliner Frank Ranke* machen. Nachdem der diplomierte Politologe jahrelang Taxi gefahren war und dadurch „den Anschluss verpasst“ hatte, sprach der 35-Jährige beim Arbeitsamt vor, um an einer Umschulung teilzunehmen. „Am Anfang haben die mir gesagt, dass es ziemlich schlecht aussieht, weil ich keinen Anspruch auf eine Weiterbildung hätte“, erzählt Ranke. Erst nachdem sich sein Arbeitsberater für ihn eingesetzt habe, sei die Qualifizierung bewilligt worden. Für Ranke, der später auf dem Feld der PR arbeiten will, bedeutet die Weiterbildung im Bereich Grafik und Layout eine „Chance, die ich nutzen will“. Zwar zahlt das Arbeitsamt inzwischen neben den Fortbildungskosten auch Rankes Unterhalt: „Die haben mich aber erst zum Sozialamt geschickt.“ Nachdem dieses die Leistungen abgelehnt habe, sei er – als Vater von zwei Kindern – über eine „Härtefallregelung“ beim Arbeitsamt an sein Geld gekommen.
Ein gute Adresse für arbeitslose Hochschulabsolventen sind die Hochschulteams der Arbeitsämter. In jeder Stadt mit mehr als 20.000 Studierenden begleiten Beraterteams junge Akademiker auf ihrem Weg ins Berufsleben. „Das Beratungsangebot können Studenten, aber auch Absolventen bis zu einem Jahr nach Beendigung des Studiums in Anspruch nehmen“, sagt Heike Kuss vom Hochschulteam in Berlin-Mitte. In einem „umfangreichen Veranstaltungsverzeichnis“ sind Seminare aufgelistet, in denen zum Beispiel Präsentations- oder Moderationstechniken angeboten werden. Gerade bei der „Selbstvermarktung“ bräuchten viele Absolventen Unterstützung: „Das lernt man leider an der Uni nicht.“ Außerdem informiert das Team des Arbeitsamtes zusammen mit Unternehmensvertretern bereits an der Uni über Trainee-Programme oder Jobchancen. Schön für klamme Geldbeutel: Diese Angebote sind kostenlos.
Akademiker, die gerade die Uni hinter sich gelassen haben und sich unbezahlte Praktika oder Hospitationen finanziell nicht leisten können, bieten die Hochschulteams eine Praktikumspauschale an: 460 Euro nebst Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung macht das Arbeitsamt für bis zu drei Monate locker. Die Pauschale wird aber nur dann gewährt, „wenn ein Unternehmen glaubhaft machen kann, dass es eine konkrete freie Stelle hat“, sagt Heike Kuss. Überdies handelt es sich auch hier um eine „Kannleistung“, die es nur dann gibt, wenn ein „arbeitspolitisches Interesse“ der Behörde vorliegt. Doch soll es schon Fälle gegeben haben, da hat eine geschickte Argumentationstechnik von rhetorisch geschulten Hochschulabsolventen diese Interessen maßgeblich mitbestimmt.
* Name von der Redaktion geändert.