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Archiv-Artikel

„Eine echte Reform“

Lob von „Spiegel“-Chef Aust. Die Reaktionen anderer Großverlage sind noch etwas zurückhaltender

VON STEFFEN GRIMBERG

„Gratulation zur taz in der ganz klassischen rechtschreibung samt ‚appell an die grossverlage‘! Das ist natürlich ein noch gemeingefährlicherer Akt (FAZ) als die andere neuregelung“, schreibt enthusiasmiert der „Bund für vereinfachte rechtschreibung“. Auch in Österreich und der Schweiz, Ländern, die mit wachsendem Unverständnis bzw. blankem Entsetzen der Debatte in Deutschland folgen, berichteten Blätter wie die Salzburger Nachrichten oder Der Bund (Bern) über die gestrige „kleine“ taz. Das Leserecho ist ebenfalls überwiegend positiv.

Die für eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung trommelnde Großverlagskoalition von Springer-Presse, Spiegel, Süddeutscher Zeitung und FAZ wurde von der taz am Mittwoch aufgefordert, sich der „sanften Revolution“ in Sachen kleinschreibung anzuschließen.

Für Bild winkte Chefredakteur Kai Diekmann dankend ab: „Kleine Zeitungen brauchen kleine, große Zeitungen brauchen große Buchstaben. Insofern ist die Umstellung der taz auf die Kleinschreibung ein richtiger Schritt, der der konsequenten Fortsetzung bedarf: Auch die Schriftgröße sollte im direkten Verhältnis zur Auflage stehen. Erst damit wird die taz die Bedeutung erreichen, die sie wirklich verdient.“

Auch bei der FAZ hieß es: „Wir bleiben weiterhin bei der Großschreibung.“ Man würde „auch die taz gerne groß schreiben, aber sie schreibt sich nun mal selber klein“, sagt FAZ-Literaturchef Hubert Spiegel, „und in dieser Kleinschreibung werden wir ihr natürlich folgen“.

Ob sich wenigstens der Spiegel der taz-kleinschreibreform anschließen wird, bleibt weiter offen. Chefredakteur Stefan Aust ließ zumindest Sympathien erkennen: „Endlich eine echte Rechtschreibreform. Wenn auch nicht ganz neu. Sieht aus wie ein Bekennerschreiben der RAF aus den 70er Jahren.“ Vom „Rechtschreib-Spaß in der taz“ schrieb gestern immerhin schon Spiegel-Online: „Ach, welch herrliche Ironie, welch schalkhaftes Augenzwinkern, das hier zum Ausruck kommt: die Einebnung von Groß- und Kleinschreibung – eine ‚sanfte Vereinfachung‘. Wer die Kontroverse zurzeit verfolgt, wird Zeuge, wie bereits über Fragen der Getrennt- und Zusammenschreibung Freundschaften zerbrechen, wie Schriftsteller Rassismus und Reaktion zetern und sich Gräben ziehen durch die Nation.“

Woran die Verbalkriegstreiber aus dem Regiment Spiegel-Springer alles andere als unschuldig sind: Die neuerliche Debatte um die längst beschlossene Neuregelung hatten sie in wochenlanger Kleinarbeit wieder in Volkes Seele gezerrt. Und wer mit derartigen Populismus-Offensiven so viel Erfolg hat, dem geht auch schon mal die hauseigene Kavallerie durch: „Natürlich wäre es ein Akt internationalistischer Gesinnung, man zöge gleich mit den angloamerikanischen und romanischen Ländern, die seit jeher die Größe haben, klein zu schreiben“, schwadroniert Spiegel-Online weiter: „Aber was riefe Grass, wenn seine ,Blechtrommel‘ zum blechtrömmelchen zusammenschnurrte? Was Walser, wenn sein ,Fliehendes Pferd‘ als pferd zumindest optisch auf Ponygröße schrumpfte?“ – Und was all die AngloamerikanerInnen, RomanistInnen und natürlich auch die „kleine“ taz, bei denen eine Kleinschreibung von Eigennamen oder Buchtitel niemals zur Debatte stand?