: „Energie vom Chef selbst“
Regelmäßig stellen wir an dieser Stelle aktuelle Werte aus dem nx-25 vor. Heute: den Index-Neuling SolarWorld AG. Die Bonner Firma produziert Solarstromtechnik für einen boomenden Weltmarkt
Wirtschaftskrise hin oder her: Die Solarbranche kann sich nicht ernsthaft beklagen. Vor allem die umweltfreundliche Stromproduktion via Sonnenlicht, die Photovoltaik, wurde innerhalb weniger Jahre ein weltweit boomender Industriezweig. Sie ist wie Windkraft ein Konjunkturmotor.
Allein die aktuelle Debatte um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) lässt auch diese Branche am Rande – zu Unrecht – bei manchen in trübem Licht erscheinen. Viele Argumente derer, die sich zurzeit zum Parlieren berufen fühlen, zeugen davon – mitunter versteckt, mitunter offen ersichtlich –, dass diese sich mehr ihren Interessengruppen als der nachhaltigen Wirtschaftsweise verpflichtet fühlen. Wer Wahrheiten weglässt, lügt zwar nicht, sagt aber eben nur die halbe Wahrheit – etwa die, dass mittels Atom und Kohle hierzulande billigst Strom zu produzieren sei. Die volle Wahrheit: niemals ohne staatliche Gunst und Förderung.
Die Photovoltaik-Branche erlebte in den letzten Jahren einen gewaltigen Aufschwung. Weltweit wuchs beispielsweise allein die Solarzellenproduktion im vergangenen Jahr um 40 Prozent. Laut Erhebungen des Solarstrom-Magazins Photon ist Europa mit 25 Prozent der zweitgrößte Markt nach Japan (44 Prozent), gefolgt von den Vereinigten Staaten.
In Deutschland waren vor allem das EEG und das 100.000-Dächer-Programm die treibenden Kräfte. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert den Anlagenbetreibern, dass ins Netz eingespeister Solarstrom von den Energieversorgern 20 Jahre lang abgenommen und vergütet wird. Über das Förderprogramm vergab die Kreditanstalt für Wiederaufbau zinsgünstige Investitionskredite für Anlagenbauherren. Nach vorläufigen Schätzungen könnte mit diesem Programm während der Förderlaufzeit seit 1999 eine Anlagenleistung von rund 350 Megawatt bewilligt worden sein. Ende Juni wurde der letzte Antrag entgegengenommen, weil die dafür eingeplanten Kapazitäten vorzeitig erschöpft waren. 100.000 Dächer wurden zwar sicher nicht bestückt, aber knapp 60.000 dürften es wohl sein.
Als Ende Mai dieses Jahres die amerikanische Photovoltaik-Firma Astropower wegen mangelnder Transparenz den nx-25 verlassen musste, trat an ihre Stellen die SolarWorld AG. Das Bonner Unternehmen hat sich seit seiner Gründung 1988 als Ingenieurbüro durch den heutigen Firmenchef Frank Asbeck inzwischen erheblich gemausert. „Konzernunabhängig“ sei die AG, wird gern verbreitet – was indes nur meinen kann: unabhängig von Energiegiganten wie etwa RWE, Shell oder E.ON. Denn für sich genommen ist SolarWorld schon selbst ein Konzern.
Etabliert hat sich SolarWorld vor allem mit Produktqualität. Durch gewitztes Marketing machte sich die Firma auch über die Branche hinaus bekannt. So wurde eine Kapitalerhöhung beispielsweise begleitet vom Bild einer pfiffig dreinschauenden Nonne und dem Werbeslogan „Sonne – Energie vom Chef selbst“.
Firmenchef Asbeck hat seine Vision einer „solaren Wertschöpfungskette“ inzwischen nahezu umgesetzt: Der SolarWorld-Ableger Solar Factory GmbH produziert im sächsischen Freiberg Module, die schwedische Tochter Gällivare Photovoltaic ebenso. Die Deutsche Cell GmbH produziert in Freiberg Solarzellen. Die Deutsche Solar AG, ebenfalls Freiberg, einst vom Bayer-Konzern übernommen, zieht aus dem Zellengrundstoff Silicium als größter deutscher Hersteller so genannte Wafer. Dort wurde zudem im Juni zur Silicumgewinnung eine Pilotanlage zum Recycling von Solarmodulen in Betrieb genommen. Die Prozesstechnik wird nun optimiert, womit man gut dastehen dürfte, falls die Elektronikschrott-Richtlinie der EU von Februar dereinst auch um Module ergänzt werden sollte. Ihr Anhang nämlich sieht ausdrücklich vor, dass dies im Rahmen des technischen Fortschritts möglich ist. Für die sächsischen Standorte gab es erhebliche finanzielle Förderung durch die Europäische Union, flankiert durch Bürgschaften von Bund und Land (die taz berichete).
Nach Angaben des hannoverschen Instituts Markt-Umwelt-Gesellschaft (Imug) publiziert SolarWorld keinen Umweltbericht, hält indes in seinen Unternehmensleitlinien den Umweltschutz schriftlich fest: „Darin wird der Schutz von Luft, Wasser und Boden als besonders wichtig erachtet“, heißt es in einem von Imug erstellten Unternehmensprofil. Zudem erfasse die AG „kontinuierlich die wesentlichen betrieblichen Stoff- und Energiedaten“, etwa Material-, Energie- und Wasserverbräuche, zudem die Abfallmengen und deren Zusammensetzung. Die SolarWorld AG bevorzuge außerdem bei der Auftragsvergabe jene Zulieferer, die ein zertifiziertes Umweltmanagement eingerichtet haben.
Im vergangenen Jahr hat SolarWorld kräftig investiert, allein die Solarzellenfabrik in Freiberg kostete 40 Millionen Euro. 2002 erwirtschafteten die mehr als 400 Mitarbeiter (2001: 300) einen Umsatz von 109 Millionen Euro (82 Millionen), fuhren allerdings erstmals einen Verlust von 1,5 Millionen Euro ein. Als Dividende beschloss die Hauptversammlung im Mai eine Ausschüttung von 13 Cent pro Aktie (Vorjahr: 35 Cent).
Im gleichen Monat fiel der Kurs auf ein Allzeittief von knapp über 4 Euro. Seit Juni notiert die AG im Prime Standard der Frankfurter Deutschen Börse AG, eine Voraussetzung für die mittelfristige Aufnahme in den Technologieindex TecDax. In der ersten Septemberwoche pendelte der seit dem Jahr 2000 börsennotierte Wert oberhalb von 8 Euro.
In ihrer Halbjahresbilanz gab SolarWorld Mitte August bekannt, dass in den ersten sechs Monaten 2003 rund 81 weitere Mitarbeiter eine Anstellung im Konzern fanden (plus 20 Prozent im Vergleich zum Jahresende 2002). Der Ausbau der konzerninternen Wertschöpfungskette sei „planmäßig vorangetrieben“ worden, der Wechsel „von extern beschaffter Handelsware hin zu hochwertigen Modulen aus Eigenproduktion erfolgreich vollzogen“. Im dritten und vierten Quartal erwartet das Unternehmen Umsatz- und Ertragssteigerungen. Zum Jahresende will man ein Umsatzplus von 15 Prozent erreichen. ANDREAS LOHSE
www.solarworld.de;www.photon.deDas Institut Markt-Umwelt-Gesellschaft (Imug) ist der Universität Hannover angeschlossen und arbeitet im Bereich Research und Nachhaltigkeitsfonds. Tel. (05 11) 9 11 15-0, www.imug.de