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Archiv-Artikel

Clement macht die Dose wieder auf

Wirtschaftsministerium: Dosenpfand vernichtet Arbeitsplätze und bringt der Umwelt nichts. Wirre Daten als Grundlage

BERLIN taz ■ Der Streit zwischen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und Bundesumweltminister Jürgen Trittin ist um ein Kapitel reicher: dem Dosenpfand. Der Bundeswirtschaftsminister lancierte via Süddeutscher Zeitung (SZ) eine Prognos-Studie, die eigentlich erst in dieser Woche im Ministerium vorgestellt werden soll. Erst danach sollte entschieden werden, ob die Studie überhaupt veröffentlicht wird. Tenor der Untersuchung laut SZ: Das Dosenpfand verursacht bis 2004 volkswirtschaftliche Umsatzeinbußen von bis zu 1,2 Milliarden Euro. Dies bedeute den Verlust von 9.700 Arbeitsplätzen. Und: Der ökologische Nutzen des Pfands sei „eher gering“.

„Die Studie ist eine von vielen Stellungnahmen“, erklärte gestern eine Sprecherin des Umweltministeriums gegenüber der taz. Allerdings habe man im Hause Trittins „erhebliche methodische Defizite bei der Datenerhebung“ ausgemacht. So würden heute die Beschäftigungseffekte der Prognos-Studie um 140 Prozent von dem abweichen, was das Meinungsforschungsinstitut in seinem vor wenigen Wochen vorgestellten Zwischenbericht noch behauptete. Tatsächlich wirft das Gutachten – auch der taz liegt es vor – mehr Fragen auf, als es Antworten gibt.

„So weit es die Datenlage zulässt, werden die Effekte auf Umsatz, Beschäftigung und Kapazitätsauslastung abgeschätzt“, heißt es etwa in der Studie. Die Schätzung gestalte sich „aus zwei Gründen relativ schwierig“. Erstens seien belastbare Daten nicht vorhanden – Prognos versuchte Abhilfe zu schaffen, indem sie „eine schriftliche Befragung von Verbänden und Unternehmen durchführte“. Trotz intensiver Nachfrage sei „Rücklauf und Qualität der Antworten teilweise relativ unbefriedigend“. Zweitens hätten die Verbände für das erste Quartal Daten geliefert, die ein „relativ uneinheitliches Bild“ zeigen. Etwa der Bundesverband mittelständischer Brauereien: Mitnichten sei der Bierabsatzrückgang im ersten Halbjahr „ausschließlich auf die Einführung des Pfands zurückzuführen“. In Gaststätten etwa, sei die Biernachfrage um 10 Prozent eingebrochen. Wie das in die Prognos-Daten eingeht, ist unklar.

Ein unveröffentlichtes, unklares Gutachten: Für den Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) dennoch Anlass, Bundeswirtschaftsminister Clement zum Veto gegen das Dosenpfand aufzurufen. „Erstmals hat ein unabhängiges Institut bestätigt, dass Arbeitsplätze verloren gehen und der ökologische Effekt kaum messbar ist“, erklärte HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr, der sich explizit auf die Süddeutsche Zeitung bezog.

Da allerdings irrt Pellengahr gewaltig. Vor zwei Wochen nämlich veröffentlichte der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels eine Studie der Freien Universität Berlin. Nach der waren wegen des Dosenpfands in der ersten Jahreshälfte 14.400 neue Arbeitsplätze entstanden. Die Datenerhebung der Universität erfolgte auf selbem Wege wie bei Prognos. Günther Guder, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands des Deutschen Getränkefachgroßhandels: „95 repräsentativ ausgewählte Betriebe wurden befragt“. NICK REIMER