Krenns Bastion bröckelt

St. Pöltener Priesterseminarist zu Bewährungsstrafe verurteilt, kirchliche Ermittlungen gehen weiter

Computer sind tückische Dinger. Jener 27-jährige polnische Priesterseminarist, der gestern vom Landesgericht St. Pölten verurteilt wurde, hatte seine kinderpornografischen Bilder gelöscht, bevor die Polizei seinen Laptop im März beschlagnahmte. Den Experten gelang es jedoch, die kompromittierenden Fotos aus dem elektronischen Nirvana zurückzuholen. „Mehrere hundert Pornobilder, und zwar alles Darstellungen, auf denen kleine Buben zu sehen sind“, wurden laut Staatsanwalt Walter Nemec sichergestellt. Der inzwischen aus dem Priesterseminar geworfene Spätberufene behauptete anfänglich, er hätte das Gerät gebraucht gekauft und später zu seinem Entsetzen die „geilen“ Bilder gefunden. Richterin Andrea Frischmann glaubte ihm nicht und verdonnerte ihn zu einer relativ milden Strafe von sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung. Bis zu zwei Jahren Strafe wären möglich gewesen.

Damit ist der strafrechtliche Teil des Skandals im Reich von Bischof Kurt Krenn vorerst erledigt. Kirchenintern wurde Donnerstag mit der Schließung des Seminars nur ein erster Schritt getan. Der vom Papst nach St. Pölten entsandte Vorarlberger Diözesanbischof Klaus Küng untersucht als Apostolischer Visitator alle Vorwürfe gegen die Amtsführung des Kollegen. Der Großinquisitor kann bei seinen Ermittlungen auf Daumenschrauben und Streckbett verzichten. Allzu viele Zeugen fanden sich, die ihm über Stil, Methoden und private Laster von Bischof Krenn ihr Leid klagten. Krenn gilt als autokratisch und rückwärtsgewandt.

Küng hat nach eigener Aussage „schmerzhaft“ feststellen müssen, dass sich im Seminar „aktive homophile Beziehungen gebildet“ hätten. Ob auch die beiden ehemaligen Leiter des Seminars, Ulrich Küchl und Wolfgang Rothe, die durch Fotos in kompromittierenden Posen mit ihren Zöglingen belastet werden, darunter seien, wollte er nicht beantworten. Die beiden seien aber inzwischen von allen kirchlichen Funktionen suspendiert worden. Küng, der sich selbst eine Frist von sechs Wochen gesetzt hat, erklärte in seiner Halbzeit-Pressekonferenz, er habe in der Diözese „eine starke Polarisierung vorgefunden“. Kurt Krenn hatte seinen Wirkungsbereich in eine Bastion gegen den andernorts in der Katholischen Kirche wehenden liberaleren Geist verwandelt. Opus-Dei-Mitglied Klaus Küng entdeckte denn auch während seiner Ermittlungen „viele positive Kräfte“. Die sprunghafte Zunahme von Kirchenaustritten in der Diözese St. Pölten wollte der Visitator nicht interpretieren: Seit Bekanntwerden des Skandals hat sich die Zahl der Abtrünnigen gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr fast verdreifacht. RALF LEONHARD