Elvis trifft Gott in Oldenburg

Das 10. Oldenburger Filmfest bot Cartouche, Trash und neue Indie-Juwelen des US-Kinos

Wenn Gott vor dem McDonald‘s in der Fußgängerzone seinen neuen Film vorstellt und ein Elvis-Doppelgänger mit einem Trio von silikonbrüstigen Starlets über den Pferdemarkt promeniert, dann weiß der Oldenburger, dass wieder Filmfest ist. Curtis (Gott) Hannum und Jon (Elvis) Jacobs sind amerikanische Filmemacher und mit ihren eigenwilligen Präsentationen ganz typisch für das Festival.

Jedes Jahr gab es solche Gäste, die selber meist unterhaltsamer waren als ihre Filme. Es war erfrischend zu sehen, dass diese Tradition auch im zehnten Jahr fortgeführt wurde. Wie zu erwarten, konnte man den Film „Hey DJ“ von Jacobs über die Technoszene in Miami getrost als bunten Firlefanz abhaken, dafür war dann nachts die Party dazu umso wilder. Aber Curtis Hannum, der tagelang in weißem Umhang durch die Stadt geisterte, überraschte dadurch, dass sein Werk „The Real Old Testament“ (natürlich mit ihm selber in der Hauptrolle) eine tatsächlich witzige Ansammlung improvisierter Sketche à la Monty Python ist.

Thorsten Neumann, Mitbegründer und Organisator des Filmfestes scheint jedes Jahr wieder den Ehrgeiz zu haben, so viele und so schrille Regisseure der US-Independent-Szene wie möglich nach Oldenburg zu locken. Diesmal waren zum Glück mehr Treffer als Nieten im Programm: Eine wirkliche Entdeckung war etwa „Northfork“ von Michael und Mark Polish, der den Publikumspreis gewann. Der Film ist eine wundersame Phantasmagorie, in der Engel in den weiten Landschaften von Montana auftauchen – eine surreale Ballade mit staubtrockenem Witz, ein rätselhaftes Meisterwerk.

Und wer hätte gedacht, dass man eine charmante und warmherzige Komödie über das schmierige Milieu der Massagesalons machen kann? Genau dies gelang der kanadischen Regisseurin Soo Lyn mit „Rub & Tug“. Zum einen, weil die in Korea geborene Regisseurin lang und intensiv in dieser Szene recherchiert hat, zum anderen, weil ihre Kamera nie voyeuristisch blickt und die Protagonistinnen mit sympathischem Humor zeichnet.

Der beste deutsche Film des Programms war „Northern Star“ von Felix Randau. Julia Hummer spielt darin wunderbar eine ruppige, grüblerische 18-Jährige, die aus dem norddeutschen Kleinstadtleben ausbrechen will. Randau hat die Atmosphäre mit der nassen graublauen Kälte der Küste und der Radikalität eines zornigen jungen Mädchens sehr einfühlsam und stilsicher inszeniert. Nach diesem Film sieht man seinen Drehort Cuxhaven mit ganz anderen Augen.

Ein glückliches Händchen hatten die Organisatoren auch bei der Retrospektive, denn mit Philippe de Broca wurde ein Altmeister des französischen Unterhaltungskinos geehrt. Am Sonntagnachmittag konnte man sich wohlig in die Welt von „Cartouche der Bandit“ fallen lassen. So schön wie hier war Claudia Cardinale höchstens noch in Viscontis „Der Leopard“ und keiner konnte Jean Paul Belmondos schiefe Nase so verführerisch aufblitzen lassen wie de Broca.

Und was war nun mit dem „Sex Schocker“ des Festivals? Larry Cark, der Regisseur von „Ken Park“ entpuppte sich als nachdenklicher, eher scheuer Mann mit Bart. Sein neuer Film ist das verstörende, aber wahrhaftige Porträt einer Clique von Jugendlichen in einem kalifornischen Vorort. Im Prinzip geht es dort gar nicht viel anders zu als in Randaus Cuxhaven – nur ist Clarks Blick radikaler, und so muss man halt einem 16-Jährigen minutenlang beim Onanieren zusehen. Wilfried Hippen