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Ein Haushaltstrick und seine Folgen

Ortsamtsleiter warnen davor, wegen sowieso knapper Kassen die „Stiftung Wohnliche Stadt“ auszubluten

Bremen taz ■ Im Ton sind sie freundlich, in der Sache aber verärgert und besorgt: Gestern haben die Bremer Ortsamtsleiter einen gemeinsamen Brief an Bürgermeister Henning Scherf und Bürgerschaftspräsident Christian Weber (beide SPD) geschickt, Tenor: Die Mittel aus der „Stiftung Wohnliche Stadt“ dürften nicht reduziert werden. Das genau könne passieren, befürchten die Stadtteilchefs, wenn wahr werde, was in der Koalitionsvereinbarung angedeutet und im Finanzressort derzeit geprüft wird.

Die landeseigene „Stiftung Wohnliche Stadt“ vergibt die Mittel aus der so genannten Spielbankabgabe. Was im Casino in der Böttcherstraße verzockt wird, reicht die Stiftung weiter, um damit gute Zwecke zu finanzieren, unter anderem Projekte in den Stadtteilen. Am Wiederaufbau des abgebrannten Hauses im Park beteiligt sich die Stiftung etwa mit 600.000 Euro – nur ein Beispiel von vielen.

80 Prozent ihrer Einnahmen müssen die Bremer Spielbanken ans Land abführen, 2002 rund 20 Millionen Euro. Blöderweise nutzt das dem maroden Haushalt wenig, denn diese Einnahmen werden in den Länderfinanzausgleich eingerechnet – Bremen bekommt von den anderen Bundesländern ergo entsprechend weniger. Nun plant die Finanzbehörde einen Trick, der auch schon in Bayern funktioniert hat: Das, was im Haushalt unter dem Titel „Spielbankabgabe“ läuft, wird um die Hälfte reduziert. Was aber nicht heißt, dass die Spielbank weniger abgeben müsste. Sie drückt dasselbe wie bisher ab, die zweite Hälfte kriegt nur einfach einen neuen Namen, nämlich „Sonderabgabe“ – und muss so nicht mehr mit den Finanzausgleichsgeldern verrechnet werden.

Was das für die „Stiftung Wohnliche Stadt“ hieße, ist, wie Stiftungsvorstand Dietrich Damm betont, noch völlig offen. Bisher bekam die Stiftung die Hälfte der Spielbankabgabe, also 40 Prozent der Casinoeinnahmen. Sollte diese Abgabe jetzt nominell reduziert werden, hieße das für die Stiftung ebenfalls reduzierte Einnahmen.

Aber, so Damms Auffassung, die Umbenennungs-Nummer bedeute nicht automatisch weniger Stiftungsmittel. Denn warum sollten der Stiftung nicht auch aus der neuen „Sonderabgabe“ Mittel zufließen können – und die Höhe der Stiftungsgelder damit unverändert bleiben? Damm: „Darüber entscheidet schlussendlich die Bürgerschaft.“

Wenn den Stadtteilen die Stiftungsmittel fehlen, warnt der Osterholzer Ortsamtsleiter Ulrich Schlüter, werde darunter auch das oft beschworene ehrenamtliche Engagement leiden. Schlüter: „Man muss auch zeigen, dass man das ein oder andere bewegen kann.“ sgi

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