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Archiv-Artikel

HipHop ist nicht unplugged

Der Brief eines enttäuschten B-Boys, der lieber zu Hause geblieben wäre, als am Mittwoch im Berliner Tempodrom zu den Fantastischen Vier zu gehen, die dort in Begleitung von Streichern rappten

von THOMAS WINKLER

Nee, also nee, meine Herren aus Stuttgart, also wirklich, HipHop war das jetzt aber nicht. Denn wo waren sie denn, die derben Flasher, die Writer und Breaker, die Headz, die B-Boys, die wahren HipHop-Fans? Wo waren die denn? Womöglich im Jugendzentrum oder vielleicht im U-Bahn-Depot auf der Suche nach einem Waggon, den man zum Whole Car umsprühen könnte, oder wahrscheinlich doch eher nur zu Hause, sich verzweifelt durchs Musikfernsehen zappend auf der Suche nach dem neuen Jay-Z-Video, dem wo noch mehr Titten und Ärsche wackeln als sonst schon?

Eins ist mal sicher und das geht an euch da draußen, die ihr euch Die Fantastischen Vier nennt: Hier im Berliner Tempodrom, das ihr Kameraden gleich zweimal hintereinander ratzefatzeputz ausverkauft habt, waren sie ganz bestimmt nicht.

Nö, nö, HipHop war das bestimmt nicht. Denn zum HipHop braucht man zwei Plattenspieler, die müssen von Technics sein, und vielleicht noch einen Sampler. Was man bestimmt nicht brauchen kann, das sind ein Gitarrist, ein Schlagzeuger, ein Percussionist, einen Kontrabassisten und ein Keyboarder – einheitlich in blauen Overalls, das ist doch nicht individuell, nicht so wie wir in unseren Elefantenhosen und Baseballmützen. Stattdessen steht euer Studiotüftler, dieser And.Ypsilon, den lieben langen Abend vor einer Trommel und rührt den Schlegel. Was soll er auch machen? Ist ja als Produzent arbeitslos geworden, weil ihr diesen MTV-Unplugged-Unfug aus diesem Tropfsteinhöhlendingens da noch mal neu auflegen musstet.

Und das ginge ja alles noch: Was man aber ganz, ganz, ganz eindeutig und bestimmt nicht brauchen kann für HipHop, ist ein Streicherensemble. Ey, nicht mal die Weicheier von den Roots, die auch alles live spielen, haben ein Streicherensemble. Das geht nun wirklich zu weit. Okay, die Motorsäge kam ganz gut, so was hat Eminem ja auch bei seinen Auftritten. Aber: HipHop ist nun mal – für immer und ewig und überhaupt – niemals nicht unplugged. Und MTV ist sowieso scheiße. Spätestens seit sie da ihre HipHop-Sendung abgesetzt haben. Oder war das die auf Viva? Ist auch egal, denn eins ist klar. HipHop geht anders. Ganz anders.

Auch wenn sich das Publikum hier für solche Feinheiten sowieso nicht interessiert. Die könnten ja nicht mal den Unterschied zwischen Old School und New School erklären oder das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Snoop Dogg und Lil’ Bow Wow. Die freuen sich ja schon ein Loch in den Bauch, nur weil die Musiker da ellenlang und voll schwul auf ihren Geigendingern rumstimmen. Klatschen vom ersten Takt an mit, als müsste das kleine Vermögen, das sie für die Karten bezahlt haben, unbedingt abgefeiert werden. Jetzt singen sie sogar die Refrains mit. Ja, ist das denn Rockmusik oder ein Robbie-Williams-Konzert? Auch der Duft von was zu rauchen zieht erst zum ersten Mal nach dem fünften Song vorbei. Das soll HipHop sein?

Das geht ja schon so los, dass es fast pünktlich losgeht, nur wenige Minuten nach acht. Zugegeben, so ist es ja auch sinnvoll: Die Eltern müssen ihre schulpflichtigen Kinder noch halbwegs rechtzeitig ins Bett bringen, die Pärchen wollen noch was vom Abend haben und die BWL-Studenten müssen frühmorgens raus zur Vorlesung, weil sie auch mal so fleißige Schwaben werden wollen wie ihr. „Für alle gemacht / von 88 bis 8“, gibt dieser Smudo ja auch zu in diesem neuen Song, den ihr gespielt habt, der vom neuen Album stammt, das irgendwann mal rauskommen soll und sich dann wieder wie geschnitten Brot verkaufen wird.

Dafür habt ihr nun also vornehmlich Leute im Publikum, die in einem Kool-Savas-Song nicht mal die allerunrühmlichsten Nebenrollen übernehmen dürften. Okay, dafür sind es ziemlich viele, aber das habt Ihr nun davon. Dafür vertauscht die Berliner Boulevardpostille B.Z. eure Namen in der Bildunterzeile komplett mit euren Gesichtern.

Oh nö, HipHip darf nicht so sein. So nicht, so Helium schlucken und dann mit Mickey-Mouse-Stimme lospiepsen. So nicht, meine Herren. Das ist doch nicht cool. Nein, nein und nochmals nein. HipHop ist das nicht. War’s noch nie. Schreibt das eurem Friseur auf die frisch rasierte Glatze, diesem Thomas D., der glaubt sich immer sofort ausziehen zu müssen, wenn’s besinnlich wird. Das ist vielleicht Pop, aber bestimmt kein Rap. Ja, wo habt ihr denn eure Schlabberhosen? Ja, wo sind die denn? Habt ihr vergessen, wa? Das soll HipHop sein? Das? Ha, niemals ! So, das hat jetzt aber gesessen.