: Blick aufs Zinssystem
betr.: „Deutschland in der Renditefalle. Das Märchen vom Wachstum“ von Hans Olbrich und Thomas Seltmann, taz vom 9. 8. 04
Vielen Dank an die Autoren, dass sie klarmachen, dass nicht die leistungslosen Einkommen der Armen, sondern die leistungslosen Einkommen der Reichen unsere Wirtschaft abwürgen. Dabei geht es nicht darum, auf Reichtum neidisch zu sein, sondern die leistungslose Vermehrung dessen zu stoppen, denn letztlich wird dies von jedem von uns täglich erarbeitet.
Unsere Geldordnung ist in sich krank und bedarf einer Korrektur. Und dies ist möglich, schließlich ist Geld nicht naturgegeben, sondern von Menschenhand geschaffen.
WOLFGANG RAMMING, Frankfurt am Main
Dieser Artikel ragt wie leider viel zu wenige heraus aus dem durchweg eher fantasielosen Mainstream-Umgang der taz mit den grundlegenden Ursachen für wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitslosigkeit. Allein dass endlich mal jemand wie Helmut Creutz erwähnt wird, lässt hoffen. DAGMAR NEUBRONNER, Oberstaufen
Die Argumentationskette von Olbrich und Seltmann basiert auf einer Komplexitätsreduktion volkswirtschaftlicher Zusammenhänge: es gäbe nur Personal- und Kapitalkosten bei den Ausgaben sowie Arbeits- und Kapitalerträge bei den Einnahmen. Man könnte die begonnene Komplexitätsreduktion mit gleicher Logik fortsetzen. Auch Kapitalerträge stammen letztlich aus Erwerbsarbeit. Wer Zinsen zahlt, nimmt diese nicht von dem Geld, das er hat (sonst würde er ja keines leihen müssen), sondern aus dem Geld, das er später erwirbt indem er selbst arbeitet oder arbeiten lässt.
Eine Grenzbetrachtung mag das schlüssig erscheinen lassen: Wenn überhaupt niemand mehr arbeiten würde und keinerlei Wertschöpfung betrieben würde, wäre es dann denkbar, dass jemand Zinsen zahlen könnte? Damit aber basieren auch Kapitalerträge auf Arbeit und die Argumentation funktioniert nicht mehr.
ANDREAS BURGER, Konstanz
Pünktlich, wie schon in den vergangenen Jahren im August, rückt die taz wieder ein Thema für einen Moment ins Licht, das sich lohnen würde, zu erweitern und zu vertiefen. Denn wirtschaftliches Wachstum scheint doch im Bewusstsein der Zeitgenossen normalerweise zu einer funktionierenden Wirtschaftsordnung zu gehören wie das Amen in die Kirche. Die Autoren zeigen, welch aufregendes Terrain sich eröffnet, wenn man sich aus den alten Gebetsmühlen wirtschaftspolitischen Denkens herausbegibt, hinschaut, echt Bewusstsein bildet: die Phänomene unserer Zeit, alles, was mit der Globalisierung zusammenhängt bis zu Hartz IV, erscheint plötzlich in einem anderen Licht.
Mit dem Blick auf unser Zinssystem treffen sie des Pudels Kern. Nicht nur dass durch das derzeitige System die Staatsfinanzen aufgefressen werden – wer sich ein wenig mit Preisbildung beschäftigt, kann erkennen, dass mittlerweise 30 bis 50 Prozent eines Preises Zinsen sind! Welch gigantische Maschine der Umverteilung zugunsten derer, die eh schon mehr als genug haben!
Doch es geht nicht nur um die „Abschaffung der Zinsen für Sparbücher über eine Million Euro“, wie jüngst auf einem Montagsdemoplakat zu sehen war. Geld kann nicht „arbeiten“, auch nicht 100 Euro und auch „grünes Geld“ nicht. Es sind immer andere, die für meine Zinsen arbeiten. Zinsen einzunehmen ist eine Form der Ausbeutung. Das blenden die meisten von uns täglich aus, so lange, bis im Sommerloch die taz …
Vielleicht schaffen wir in diesem Bereich irgendwann einmal den Aufbruch vom Normalen zum Gesunden.
RAINER PAWEL, Darmstadt
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.