Müller bechert in der Schweiz

Milchbaron Theo Müller will sich die Erbschaftsteuer sparen und zieht deshalb in die Schweiz – 200 Millionen Euro sind ihm zu viel. Die Steuergewerkschaft schlägt vor, die Zahlungspflicht künftig nicht an den Wohnsitz, sondern an den Pass zu knüpfen

aus Aretsried KLAUS WITTMANN

Theo Müller, 63-jähriger Milchmogul aus dem schwäbischen Aretsried, will seiner bayerischen Heimat den Rücken kehren. Rund 200 Millionen Erbschaftssteuer für seine gut 500 Millionen Euro Eigenkapital müsste er zahlen, wenn er die Firmengruppe an eines oder mehrere seiner neun Kinder übergibt. Das ist dem Milchmann einfach zu viel. Im November will Theo Müller in die Schweiz ziehen.

Öffentlich äußert sich der oft als „Milchbaron“ titulierte Unternehmer, dessen Jahresumsatz auf 1,8 Milliarden Euro geschätzt wird, meist nicht. Tut er es doch, dann sorgt das für erhebliches Aufsehen. In einer aktuellen Presseerklärung erläutert er seine Entscheidung; er schimpft auf die „existenzgefährdende deutsche Erbschaftssteuer, die im Falle der Übertragung von Unternehmensvermögen an die Nachkommen anfällt“. Außerdem zeigt er sich höchst empört darüber, dass er Vertreter aller großen politischen Parteien auf die negativen Folgen hingewiesen habe und nichts passiert sei. Dabei habe er Lösungen angeboten: zum Beispiel die zehnjährige Stundung mit anschließender Steuerbefreiung oder die Wiedereinführung der Steuerbefreiung für Familienstiftungen.

Verärgerung löst Müller beim Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, aus. „Wenn die Motivation ist, Steuern zu sparen, dann ist er ganz klar ein Steuerflüchtling“. Müller habe, wie viele andere Milliardäre und Millionäre – von Boris Becker über Gunter Sachs bis zum Kaufhauskönig Horten – von den Vorzügen des Staates regen Gebrauch gemacht. Sich dann, wenn entsprechendes Vermögen angehäuft sei, aus dem Staub zu machen, sei unredlich. Die Steuergewerkschaft schlägt vor: „Der Staat könnte darauf reagieren, indem er die Steuerpflicht nicht an den Wohnsitz knüpft, sondern an den Pass.“ Sprich, solange Theo Müller und seinesgleichen deutsche Staatsbürger sind, sollten sie unabhängig vom Wohnsitz auch hier besteuert werden.

Unwohlsein ist auch am Stammsitz des Unternehmens zu verspüren. Müllers Drohungen mit der Verlagerung des Firmensitzes klingen noch vielen im Ohr, die vor Jahren Kritik an seinen wilden Baumaßnahmen und Umweltverstößen geübt hatten. In seiner aktuellen Presseerklärung vergisst der Milchmann nicht, dass sein Wegzug „zunächst keine Auswirkungen auf die deutschen Werke der Unternehmensgruppe“ habe. Aber es sei nicht auszuschließen, „dass das weitere Wachstum zukünftig von einer Schweizer Holdinggesellschaft gesteuert“ werden könnte.

Auch in Freising, am Sitz der Müller-Molkerei Weihenstephan, ist das Murren nicht zu überhören. Gemeinsam mit dem bayerischen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu hatte Müller den Betrieb besichtigt und plötzlich gehörig vom Leder gezogen. Dass er wegziehen müsse, sei zwar eine Katastrophe, er habe aber keine andere Chance, zitierte ihn das Freisinger Tagblatt.

„So ein Schmarrn“, kontert der Kreisrat und Grünen-Politiker Christian Magerl. Müller habe günstig die staatliche Molkerei übernommen und damit auch bereits einen Teil seines Vermögens erwirtschaftet. „Da wettert man über den Florida-Rolf. Der kostet uns aber im Monat gerade mal ein paar hundert Euro. Der Müller kommt uns als Steuerflüchtling viel teurer.“ Der Milchmann aus dem Schwäbischen hatte sich wegen der Erbschaftsteuer so in Rage geredet, dass er in ähnlich aggressiver Weise auch gleich noch über den grünen Punkt herzog.

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