: Schweres Bombenattentat vereitelt
Neonazis wollten am 9. November eine Bombe auf der Baustelle des Jüdischen Gemeindezentrums in München zünden. An diesem Tag war die Grundsteinlegung vorgesehen. Unklar ist, ob der Anschlag vor oder während der Feier geplant war
aus München JÖRG SCHALLENBERG
Die Bombe sollte mitten in München hochgehen: Die 1,7 Kilogramm TNT, die am Mittwoch bei einer Gruppe Münchner Neonazis gefunden wurde, waren offenbar für einen Anschlag auf die Baustelle des Jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrums in der Innenstadt bestimmt. Das haben mehrere der festgenommenen Neonazis im Laufe der Vernehmungen ausgesagt, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat die Ermittlungen übernommen – wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung.
Die Bombe sollte laut Aussagen der Neonazis in der Nacht zum 9. November dieses Jahres gezündet werden. An diesem Tag soll der Grundstein für den Gebäudekomplex am Münchner St.-Jakobs-Platz gelegt werden, der außer dem Gemeinde- und Kulturzentrum auch eine Synagoge und ein Jüdisches Museum umfassen wird. Zu den Feierlichkeiten haben sich neben Bundespräsident Johannes Rau auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, angekündigt.
Unklar ist noch, ob der Anschlag vor oder wärend der Grundsteinlegung geplant war. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München, Charlotte Knobloch, sagte gestern, nach ihren Informationen hätte „nicht eine leere Baugrube getroffen werden sollen, sondern Menschen“. Sie teilte allerdings nicht mit, woher diese Informationen stammen. Nach ihrer Ansicht sei „mit diesem Attentat eine neue Dimension des Terrors“ geplant gewesen. Knobloch: „65 Jahre nach der Zerstörung der Hauptsynagoge durch die Nationalsozialisten am 9. November 1938 wollten Neonazis erneut das Zentrum jüdischen Lebens in München zerstören.“
Der bayerische Innenminister Günther Beckstein sagte, die Sicherheitsbehörden hätten „eines der empörendsten Verbrechen der deutschen Nachkriegszeit verhindert“, bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe konnte man gestern Mittag noch keine Erkenntnisse über die genaue Zeit des geplanten Anschlags mitteilen.
Der Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur bezweifelt allerdings einen Attentatsversuch der Münchner Neonazis unmittelbar vor oder während der Feier: „Ich halte diese Leute weniger für befähigt, bei einem Ereignis mit dermaßen hoher Sicherheitsstufe eine Bombe zu platzieren. Das dürfte eher Wunschdenken sein.“ Allerdings warnt Wagner davor, die Gefährlichkeit der rechtsextremen Szene zu unterschätzen: „Das hat bislang zwar keine RAF-Qualität, aber es werden dort – gerade im Rahmen der Anti-Antifa-Aktivitäten – gezielt Erkenntnisse von linksextremistischen Terroristen oder internationalen Terrororganisationen ausgewertet.“ Die rechtsextremen Organisationen aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Bayern seien zudem gut verbunden und „gut organisiert“.
Offenbar planten die Neonazis auch noch weitere Anschläge. „Es gibt Hinweise, dass die Beschuldigten verschiedene Anschlagsziele im Visier hatten“, sagte gestern Frauke-Katrin Scheuten, Sprecherin des Generalbundesanwalts in Karlsruhe.
München war in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Anschlägen mit rechtsextremistischen oder antisemitischen Motiven: 1970 starben bei einem Feuer in einem jüdischen Seniorenzentrum sieben Menschen, 1972 kamen elf israelische Sportler bei einem Überfall arabischer Terroristen während der Olympiade ums Leben, beim Oktoberfest 1980 töteten die Bomben eines Neonazis dreizehn Besucher.
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