: Kein Sonnenstrahl im Fjord
Die Schau „Wolkenbilder“ im Hamburger Bucerius Kunst Forum bleibt inkonsequent und offenbart die Unzulänglichkeit von Themenausstellungen
Ein Gespenst geht um im Ausstellungsbetrieb (nicht nur) des Nordens. Das heißt – vielleicht ist‘s gar kein Gespenst, sondern bloß der Kumpel Trend. Oder der letzte Versuch, längst entzauberten Kunstwerken ein allerletztes Geheimnis abzupressen.
Worum es sich handelt? Um die Manie, Naturgemälde naturwissenschaftlich zu deuten anstatt kunsthistorisch, weil man glaubt, dass dies die einzige Rechtfertigung für die neuerliche Präsentation sei. Und vielleicht erwachen Werke des 17. und 18. Jahrhunderts tatsächlich zu neuem Leben, wenn man sich zwecks Deutung an Meteorologen wendet.
„Die kleine Eiszeit“ hieß zum Beispiel 2002 eine Ausstellung des Altonaer Museums in Hamburg – eine Schau mit niederländischer Landschaftsmalerei, die an die Temperaturstürze des 17. und 18. Jahrhunderts erinnerte. Meteorologen destillierten aus den abgebildeten Wolken- und Lichtverhältnissen Tages- und Jahreszeit; Ehrfurcht angesichts der dokumentarischen Relevanz begann den Respekt vor der Kunstfertigkeit zu überrunden.
Auch „Expedition Kunst – Die Entdeckung der Natur von C. D. Friedrich bis Humboldt“, im selben Jahr in der Hamburger Kunsthalle gezeigt, spürte dem Beginn naturwissenschaftlich exakter Malerei nach; Gemälde unterschiedlicher Qualität wurden fröhlich mit Fernrohren und anderem Utensiliar kombiniert.
Und die aktuelle „Wolkenbilder“-Doppelausstellung im Hamburger Bucerius Kunstforum und Jenisch Haus, mit Werken zwischen Barock und Klassischer Moderne bestückt? Hat sich nicht entschieden, wohin sie eigentlich zielt, redet weder der Naturwissenschaft noch der Kunsthistorie das Wort, sondern präsentiert schlicht Varianten des Wolkenmalens. Sauber chronologisch zeichnet sie den Beginn der Landschaftsmalerei, nach, hat auch einige bedeutende Leihgaben errungen. Doch letztlich ist die Schau ein bisschen gescheitert, kaschiert sie doch nur mühsam, dass sich kein gemeinsamer Nenner finden lässt. Denn selbstverständlich haben sie die Wolke als Thema entdeckt, die Ruisdaels, Constables, Friedrichs, Dahls. Haben den Blick auf ein bis dato nicht-materielles Phänomen gerichtet. Doch schnell scheiden sich die Geister an der Frage, ob die Wolke dekorativ, theologisch, oder naturwissenschaftlich zu betrachten sei. Kaum Vergleichbares wird so vermengt – ein Prozedere, das wenig Aufschluss bietet. Caspar David Friedrichs ehrfürchtige Wolkenbilder sind da etwa zu sehen, eine Apotheose, entstanden aus dem Versuch, malend zum Kern des Universums vorzudringen.
Als Bestandteil der Landschaft dagegen begreift John Constable seine Wolken: Exakte Studien des Lichteinfalls finden sich hier; in Studien ergründete er Wolken-Silhouetten, sprich: ihre Persönlichkeit. Bei William Turner dagegen verschwimmt all dies: Nicht auf die Wolken richtet sich sein primäres Interesse, sondern auf Aggregatzustände von Luft und Wasser.
Johan Christian Dahl wiederum hat exakte Himmelsstudien betrieben – jener Norweger, der Lehrer etlicher Kontinentaleuropäer wurde und dessen Gemälde immer in melancholisches Graublau getaucht sind, als dränge kein Sonnenstrahl an den Fuß des Fjords. Akkuratesse war sein Ziel, und vielleicht hat er auch ein bisschen mit dem Blick des Fischers geschaut, der die nächste Nachtfahrt in seiner Nussschale überleben will.
Ansonsten sind in der Schau – abgesehen von Goethes unerlässlichen Wolken-Graphiken – mehrere Kuriosa zu finden; wer weiß schon, dass Strindberg, Hodler und Mondrian Wolken malten? Ja, sie taten es – aber eher am Rande. Das demonstrieren die bei Bucerius aufgehängten Bilder. Eigentlich müsste man den Parcours also mit einer schweren Depression angesichts der Unzulänglichkeit von Themenausstellungen beenden. Will man das nicht, hilft nur eins: die Flucht zu Jacob van Ruisdael, der Wolken sehr eigenwillig untersuchte: auf die Wirkung hin, die deren wechselnde Transparenz auf die Farbgestaltung der Landschaft habe. Petra Schellen
„Wolkenbilder – Die Entdeckung des Himmels“, Bucerius Kunst Forum und Jenisch Haus, Hamburg; bis 5.9.