Gordischer Knoten zerschlagen

Neue Wendung bei der geplanten RAF-Ausstellung in Berlin: Die Veranstalter legen ein neues Konzept vor. Eine pädagogisierende Aufarbeitung des Themas wird abgelehnt, im Mittelpunkt soll der „Niederschlag von Terror in der Kunst“ stehen. Über die Fördermittel muss neu nachgedacht werden

Die Kunst soll, so die Ausstellungsmacher, mehr als Illustration des Themas sein

Die Kunst-Werke haben nachgebessert. Seit dem Wochenende liegt ein Konzeptpapier zur Neugestaltung der für Berlin geplanten Ausstellung über die RAF vor. Dabei hat sich das Kuratorenteam unter der Leitung von Klaus Biesenbach gegen eine pädagogisierende Aufarbeitung des Themas entschieden. „Die Kunst muss bei dieser Ausstellung im Mittelpunkt stehen“, heißt es zu der überarbeiteten Fassung. Deshalb wolle man zu einem neuen Termin im November 2004 „den Niederschlag von Terror in der Kunst“ zeigen. Im Mittelpunkt werde zwar weiter der Terrorismus der Siebzigerjahre stehen, doch nur mehr in der Rolle einer „Fallstudie am Beispiel der RAF“. Von künstlerischer Seite soll die Ausstellung „die Spektakularisierung des Terrors in den Massenmedien“ zeigen und den künstlerischen Umgang mit Terror als „traumatische Geschichte“.

Durch die Fokussierung auf ästhetische Fragen stellen sich die Kunst-Werke gegen Forderungen nach einer historisch präzisen Aufarbeitung zur RAF, wie sie anfangs etwa von Kulturstaatsministerin Christina Weiss formuliert worden waren. Diese hatte eine Nachbesserung gefordert, nachdem vor allem Guido Westerwelle, aber auch Otto Schily und Gerhard Schröder eine Mystifikation der RAF befürchtet hatten, die zudem die Opfer verhöhne. Daher sollte die Ausstellung von einer begleitenden Dokumentation durch das Hamburger Institut für Sozialforschung und ein Lehrprogramm der Bundeszentrale für Politische Bildung flankiert werden.

Diese Kooperation ist nun vom Tisch. Vermutlich zu Recht. Denn durch die Anbindung an die Bundeszentrale, die immerhin direkt dem Innenministerium unterstellt ist, droht Kunst in einer solchen Ausstellung bloß als eine Illustration des Themas wahrgenommen zu werden, nicht aber als Kommentar auf gesellschaftliche Zusammenhänge, der sie in Gerhard Richters „Baader-Meinhof“-Zyklus oder in Hans-Peter Feldmanns „Opfer“-Serie eben immer auch ist.

Kunst könne nicht die Aufgabe übernehmen, „ein abschließendes, abgerundetes Bild über einen Zeitabschnitt der bundesrepublikanischen Geschichte zu liefern“, heißt es dazu in dem Konzeptpapier. Diese Aufgabe hätten schon „Jahrzehnte an historischer, publizistischer, soziologischer und anderer wissenschaftlicher Arbeit nicht geleistet“. Dagegen sei jedoch Kunst sehr wohl in der Lage, historische Erfahrungen zu verhandeln, „die ganz unmittelbar mit dem Leid und dem Schmerz von Individuen“ zusammenhängen.

Für den Hauptstadtkulturfonds stellt sich die Förderungswürdigkeit einer Ausstellung über die Geschichte der RAF neu dar. Ohne den wissenschaftlich-pädagogischen Apparat könnte in Berlin nun tatsächlich eine Annäherung an die Erfahrungen mit der RAF stattfinden, bei der Kunst Selbstverantwortung zukommt und nicht Bilderbuchcharakter. So hat Christina Weiss bereits eine für Montag geplante Sondersitzung des Hauptstadtkulturfonds abgesagt, weil das überarbeitete Konzept auch veränderte Grundlagen bei der Entscheidung über die insgesamt 100.000 Euro an Fördermitteln schaffe. Für Adrienne Goehler, die im Hauptstadtkulturfonds eine treibende Kraft hinter der Neukonzeption war, ist damit „der gordische Knoten“ zerschlagen. Statt alles in einen Topf zu rühren, sei jetzt zu hoffen, dass die anderen Einrichtungen trotzdem eine mögliche RAF-Ausstellung mit den ihnen eigenen Mitteln begleiten – aber unabhängig von der Kunst, „in eigener politischer Verantwortung und auf eigene Rechnung“. HARALD FRICKE