: FDP trauert um „Mr. Wirtschaft“
Günter Rexrodt, FDP-Schatzmeister und früherer Bundeswirtschaftsminister, ist tot. Seine Nähe zur Wirtschaft brachte ihm den Vorwurf des Lobbyismus ein. Im Skandal um die Berliner Bankgesellschaft plädierte er für Neuwahlen
BERLIN taz ■ Für die Parteifreunde kommt sein Tod als Schock. Für den Politbetrieb ist es, als fehle plötzlich ein Einrichtungsstück, das viele der Akteure über mehrere Umzüge und Jahrzehnte begleitet hat. Günter Rexrodt war einst Bundeswirtschaftsminister, FDP-Landesvorsitzender in Berlin und bis zuletzt Schatzmeister der Bundespartei sowie Bundestagsabgeordneter. Irgendwie war Rexrodt immer da. Nicht in der allerersten Reihe seiner Partei. Da standen erst Genscher und Lambsdorff, später Kinkel, dann Westerwelle und Gerhardt vor ihm. Doch während Erstere längst die Bühne verlassen hatten, schien Rexrodt mit 62 weit davon entfernt, eine weitere Wahlperiode im Bundestag auszuschließen. Aus dem Umfeld Rexrodts hieß es nun, er habe an Krebs gelitten.
Rexrodt, geboren in Thüringen, begann seine politische Laufbahn in Berlin, stieg in der Senatsverwaltung schnell auf, wurde 1982 mit kaum 40 – nach erst zwei Jahren als FDP-Mitglied – Staatssekretär und mit 43 Finanzsenator. Schon als eine rot-grüne Koalition 1989 die FDP aus der Landesregierung drängte, zeigte Rexrodt, was er später noch mehrfach schaffte: Stets einen guten Anschlussjob finden. Schon Monate später war er Vorstandsmitglied der Citibank.
1993 wurde er im zweiten Anlauf – 1991 scheiterte er parteiintern an Jürgen Möllemann – Bundeswirtschaftsminister und blieb es bis 1998, nachdem Möllemann wegen der sogenannten Chip-Affäre gehen musste. Während seiner Ministerzeit erkrankte Rexrodt auf einer Dienstreise in Südafrika lebensbedrohlich an Malaria.
In Berlin feierte er ein politisches Comeback, als er schon abgemeldet schien. 2001 machten ihn die Liberalen zum Spitzenkandidaten und erneut zum Landeschef. Im gleichen Jahr wurde er auch Bundesschatzmeister der FDP. Im Trubel der Affäre um die Berliner Bankgesellschaft zog Rexrodt quasi als One-Man-Show der FDP, teilweise zusammen mit dem PDS-Mann Gregor Gysi, durch die Stadt und forderte Neuwahlen.
Die Wahl brachte für Rexrodt nur einen Teilerfolg: Zwar konnten die Liberalen mit ihm – als „Mr. Wirtschaft“ beworben – ihr Ergebnis mehr als vervierfachen. Pläne einer Regierungsbeteiligung aber zerschlugen sich und damit Rexrodts Hoffnungen, Wirtschaftssenator zu werden. Nach wenigen Wochen nur gab Rexrodt Mandat und Fraktionsvorsitz ab.
Nachfolgend sah er sich dem Vorwurf des Lobbyismus ausgesetzt, weil er im Vorstand einer Polit-Beratungsfirma arbeitete. Kritiker warfen ihm vor, wirtschaftliche Interessen mit seinem Bundestagsmandat zu verquicken. Rexrodt wies das stets zurück. In diesem Frühjahr zog sich Rexrodt aus der Firma zurück und gab den Landesvorsitz ab. Bundestagsabgeordneter und FDP-Schatzmeister aber wollte er bleiben. Der taz sagte er damals: „Das Lebensalter an sich ist kein Kriterium. Es kommt vielmehr darauf an, ob man noch einen Beitrag leisten kann.“
Nur einen Monat später musste sich Rexrodt einer Operation unterziehen. Danach sei er im Sommer auf dem Weg der Genesung gewesen, sagt gestern Parteichef Guido Westerwelle.
STEFAN ALBERTI