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Archiv-Artikel

Leipzig ruft zur Montagsdemontage

Die Organisatoren der Anti-Hartz-Proteste in Leipzig liegen miteinander im Streit. Während ein Teil Oskar Lafontaine als Redner einlud, fürchtet der andere die Instrumentalisierung durch Politiker. Doch der Fall Lafontaine ist nur ein Auslöser

VON DANIEL SCHULZ

In Leipzig ist ein Machtkampf um die Montagsdemonstration entbrannt. Dabei geht es um mehr als Oskar Lafontaine. „Eine feindliche Übernahme“ durch die parteiähnliche „Wahlalternative“ und deren Landeskoordinator Thomas Rudolph fürchtet Winfried Helbig vom Leipziger Sozialforum, einer der Mitorganisatoren der Proteste. „Die Montagsdemonstrationen sollen für persönliche Zwecke instrumentalisiert werden.“

Dem Leipziger Ordnungsamt liegen mittlerweile schon drei Anmeldungen für die lang angekündigte Montagsdemonstration am 30. August vor. An diesem Tag soll die erste „richtige“ Montagsdemonstration durch Leipzig ziehen – eingeleitet von einem Friedensgebet des Nikolaipfarrers Christian Führer. Helbigs Sozialforum und das Aktionsbündnis Soziale Gerechtigkeit, die bisher zusammen Montagsdemos organisierten, meldeten diesmal getrennt an. Als Drittes will die dubiose Bürgerrechtsbewegung Solidarität der Polit-Sektiererin Helga Zepp-LaRouche marschieren.

Ärger gibt es aber vor allem zwischen Sozialforum und dem Aktionsbündnis. Dessen Mitgliedern kam die Idee, Oskar Lafontaine einzuladen. Wohl nicht von ungefähr: Mitglied des Aktionsbündnisses ist unter anderem die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), bei der Oskar Lafontaine vielleicht bald mitarbeiten will. Sozialforums-Chef Helbig sieht dagegen wie F ührer die Gefahr, dass Politiker die Demos für eigene Interessen benutzen. „Deshalb sind wir dagegen, dass Lafontaine spricht.“ Dagegen hält der WASG-Mann Thomas Rudolph an seiner Idee fest. „Es können alle reden, die glaubwürdig unsere Positionen vertreten“, sagt er, „und Lafontaine nehme ich das ab.“

Doch gleich, wie der Streit um den Ex-SPD-Chef ausgeht, der nächste Konflikt steht schon an: Rudolph hat auch den Bundessprecher der WASG, Thomas Händel von der IG Metall Bayern, auf die Rednerliste für den 30. August gesetzt. Die Vertreter des Sozialforums mögen dagegen im Neu-Politiker Händel keinen Unterschied zum Alt-Politiker Lafontaine erkennen. Die Montagsdemos sollten nicht dazu dienen, „einer künftigen Partei zu Wählern zu verhelfen“, sagt Helbig. Händel selbst erklärt, gegen seinen Willen als Redner nominiert worden zu sein: „Ich wollte nicht der alles erklärende Besserwessi sein.“

Viele Politiker halten sich aber durchaus freiwillig fern. Die sächsische Grünen-Spitzenkandidatin Antje Hermenau etwa analysiert: „Die Leute müssen sich erst mal selbst verständigen.“ Selbst Gewerkschafter werden auf einigen Demonstrationen angepöbelt, das Gleiche kann PDSlern passieren – obwohl die nur zu gern auf dem Protestzug mitfahren. Was in ihren Augen durchaus logisch ist: „Die PDS war immer gegen Hartz IV“, sagt die sächsische PDS-Chefin Cornelie Ernst. „Wenn wir nicht protestieren würden, wären wir nicht konsequent.“

Andere können nicht auf ihre bisherige Glaubwürdigkeit vertrauen: Der in Sachsen sehr beliebte Ex-Innenminister Heinz Eggert (CDU) wollte in Zittau auf einer Montagsdemo über die Notwendigkeit von Hartz IV sprechen. Eigentlich sind Auftritte in dieser Stadt für Eggert ein Heimspiel, aber die Menschen buhten und pfiffen ihn diesmal aus.

„Die Menschen wollen eine Demonstration der Bürger“, sagt Bernd Sickel, einer der Demo-Organisatoren in Magdeburg. „Sie haben keine Lust auf Parteipropaganda, im Osten sind bald Wahlen.“ Allerdings hatten Sickel und Mitorganisator Andreas Erholt keine Probleme damit, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement einzuladen. Gekommen sind sie nicht.