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Archiv-Artikel

Prost, Oskar Lafontaine!

Der gefährlichste Sozialdemokrat weit und breit wird 60 Jahre alt. Seine Genossen wissen immer noch nicht, was er will und ob er neuerdings trinkt, bevor er spricht

BERLIN taz ■ Oskar Lafontaine hat den in diesem Land ohnehin hochwertigen politischen Diskurs (Rita Süssmuth, Rudi Völler, Oskar Lafontaine) um eine großartige Idee bereichert. Er schlug am Wochenende vor, PDS und Ost-SPD sollten sich zusammentun, auf dass eine ostdeutsche SPD entstehe, eine linke Volkspartei, ganz nach dem Vorbild der ruhmreichen CSU in Bayern.

Ein gewisser Manfred Püchel, SPD-Vorsitzender in Sachsen-Anhalt, kommentierte diesen Gedanken (?) mit einem bösartigen, möglicherweise aber ganz und gar zutreffenden Satz: „Vielleicht war Lafontaine betrunken, als er den Vorschlag machte.“ Ja, vielleicht. Vielleicht auch nicht. Andererseits: Kann man einen so radikalen Vorstoß zur Umwälzung des europäischen Parteiensystems überhaupt formulieren, wenn man nüchtern ist?

Lafontaine wird einfach alles zugetraut, und das nicht erst seit voriger Woche, als er im Berliner Regierungsviertel dabei beobachtet wurde, wie er am hellichten Tag zwei Flaschen Champagner ziellos durch die Gegend trug. Heute wird der Ich-war-der-beste-SPD-Vorsitzende-seit-Willy-Brandt-Darsteller 60 Jahre alt. Pünktlich zu seiner Geburtstagsfeier lässt Lafontaine seine Genossen wieder mal rätseln, was er will. Provozieren? Spielen, wie so oft in seinem politischen Leben? Oder will er etwa doch wieder saarländischer Ministerpräsident werden? Vorige Woche bei „Gabi Bauer“ ließ Lafontaine ganz zufällig den Satz fallen, er habe nie behauptet, bei der Landtagswahl 2004 nicht als SPD-Spitzenkandidat anzutreten.

Gott bewahre, das hat er wirklich nie behauptet. Lafontaine hat immer nur gesagt, dass der jetzige sozialdemokratische Landeschef Heiko Maas die Entscheidung treffen müsse, ob er selbst als Spitzenkandidat antrete. Und dann hat Lafontaine noch gesagt, dass er den Saarländer Genossen, denen er mit seinem Rücktritt als SPD-Vorsitzender die Landtagswahlen 1999 verhagelte, ein bisschen helfen wolle. So selbstlos ist er schon.

Gut, er taucht plötzlich wieder in den Vorstandssitzungen der Saar-SPD auf. Er darf seine Rolle als Weltökonom sogar schon wieder auf Parteitagen geben. Er lässt sich von der IG Metall feiern. Aber alles nur, um seinem Ziehsohn Maas zu helfen. Um seinen Fehler von damals wieder gutzumachen.

Natürlich glaubt das kein Mensch. Natürlich wissen die Sozialdemokraten im Saarland, dass Lafontaine Schröder weghaben will. Natürlich geht das den Genossen zu weit. Aber die Landtagswahlen im nächsten Jahr verlieren – das wollen sie nun auch wieder nicht. Und sie wissen, dass sie mit dem seriösen, braven Heiko Mass kaum eine Chance haben. Also hängen sie sich wieder an ihren Oskar.

Und Oskar überlegt, spielt, taktiert. Er wird selbst nicht wissen, was er machen soll. In seiner kleinen, zurechtgebastelten sozial gerechten Welt tritt er als Spitzenkandidat an, gewinnt die Wahl und marschiert dann Richtung Berlin, Schröder stürzen. Aber in der rauen Wirklichkeit?

In der SPD-Spitze in Berlin wahren sie die Form. Schröder hat dem großen Verschwundenen, mit dem er seit März 1999 kein Wort mehr gewechselt hat, einen Geburtstagsgruß zukommen lassen. „Lieber Oskar Lafontaine“, schreibt Schröder mit Gespür fürs Wesentliche, „im Namen des Parteivorstands gratuliere ich Dir zu Deinem Geburtstag. Mit freundlichen Grüßen, Gerhard Schröder.“

Das sieht nach Mitleid aus. Mitleid mit einem Mann, der dabei ist, sich selbst zu vernichten. Aber in Wahrheit steckt dahinter die nackte Angst. Natürlich leugnet das Generalsekretär Olaf Scholz. „Wir sind in die SPD-Führung gewählt worden, weil wir grundsätzlich alle ohne Angst sind“, sagt er. Dieser Satz ist der beste Gegenbeweis. Wenn Lafontaine im Saarland gewinnt, wird man in Berlin besichtigen können, was Panik ist. JENS KÖNIG