: Abschied vom geschützten Raum
Keine Alternative: Die Hamburger Interventionsstelle will Opfern häuslicher Gewalt lediglich als Lotse dienen
Sie sind eine unverzichtbare Institution. Frauenhäuser bieten Frauen, die von Ehemännern, Partnern oder Verwandten Gewalt erlebt haben, den geschützten Rahmen, in dem sie zur Ruhe kommen können. In dem sie überlegen können, was sie jetzt wollen, verstehen können, dass es so nicht weitergehen kann und überlegen und planen können, was zu tun ist. Nicht selten gehen die Frauen ein ums andere Mal zu ihren gewalttätigen Männern zurück – bis sie endlich den Absprung schaffen. Es ist ein langer und schwerer Weg für die Frauen, ihre Kinder und die sie begleitenden HelferInnen.
Schutz vor häuslicher Gewalt soll auch das Gewaltschutzgesetz bieten. Es eröffnet der Frau die Möglichkeit, den gewalttätigen Partner aus der Wohnung verweisen und sich die Wohnung gerichtlich zuweisen zu lassen. Sie kann ein Belästigungsverbot erwirken, das ihm untersagt, sich ihr zu nähern oder gegen sie gewalttätig zu werden. In ihrer Entscheidung begleitet werden sollen die Frauen von Interventionsstellen – in Hamburg ist dies die seit November 2003 bestehende „Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt – pro-aktiv“ in der Alten Königstraße 18.
Schon im Vorfeld gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Aufgaben die Interventionsstelle wahrnehmen sollte. Die VertreterInnen des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt stellten darauf ab, dass der Bereich der Gewalt in der Beziehung eine besondere Dynamik habe und dem durch ein breit gefächertes Hilfsangebot Rechnung getragen werden müsse. So entwickelten Biff, Opferhilfe, Kinderschutzbund und „Männer gegen Männergewalt“ ein Kooperationskonzept für eine Interventionsstelle, die sich sowohl an die geschlagenen Frauen wenden wollte als auch Hilfen für die Kinder und die gewalttätigen Männer anbieten sollte. Demgegenüber bevorzugte die Behörde für Soziales und Familie ein vereinfachtes Konzept der aufsuchenden Sozialarbeit und beauftragte den im Bereich Gewaltprävention oder Opferschutz bisher nicht in Erscheinung getretenen Verein „Sozialarbeit und Segeln“.
Mit der Existenz dieser Interventionsstelle rechtfertigt der Senat jetzt die Kürzungen im Bereich der Frauenhäuser – ignorierend, dass die Arbeit nicht vergleichbar ist und das Gewaltschutzgesetz im Kampf gegen häusliche Gewalt nur ein weiteres Instrument neben den Frauenhäusern und guter Schulung von Gerichten und Polizei ist.
Die Erfahrungen aus Österreich, wo ein Gewaltschutzgesetz schon länger existiert, zeigen, dass die Wegweisungen und Wohnungszuweisungen keinen Einfluss auf die Zahl der Frauen haben, die das Frauenhaus aufsuchen. Verständlich, denn Opfer häuslicher Gewalt benötigen einen geschützten Rahmen, in dem sie sich ihrer Situation, aber auch ihrer Möglichkeiten bewusst werden können. In ihrem vertrauten Umfeld der bisherigen Wohnung ist dies erschwert.
Schon weil es an qualifizierter Unterstützung fehlt: Für die erforderliche weitergehende psychosoziale Beratung und eine schnelle Aufnahme in einen Hilfeprozess verfügt die Hamburger Interventionsstelle weder über die Qualifikation noch über eine entsprechende Ausstattung. Vielmehr sollen die Frauen auf Beratungsstellen verteilt werden – „pro-aktiv“ versteht sich als „Lotse“: Haben sich die Opfer nach einem Polizeieinsatz mit der Weitergabe ihres Namens einverstanden erklärt, nehmen die Mitarbeiter Kontakt auf, begleiten bei notwendigen Arztbesuchen oder Behördengängen und beraten über weitergehende Hilfeangebote.
Allerdings wird ignoriert, dass die infrage kommenden Beratungsstellen durchgehend ebenso massiv wie die Frauenhäuser gekürzt worden sind, diese Aufgaben also neben ihren bisherigen Aufgaben kaum noch übernehmen können. Waltraut Braker
Die Autorin ist Fachanwältin für Familienrecht in Hamburg