: Sachsen soll wieder begrünt werden
Nach zehn Jahren Absenz wollen die Bündnisgrünen wieder in den sächsischen Landtag – nicht ohne Chancen
DRESDEN taz ■ Angst regiert den Wahlkampf in Sachsen. Die CDU fürchtet den Verlust der absoluten Mehrheit, die SPD ein einstelliges Ergebnis, die PDS eine Stasi-Affäre ihres Spitzenkandidaten Peter Porsch, die Liberalen bangen um den Wiedereinzug in den Landtag, und alle zusammen fürchten die NPD. Die Bündnisgrünen, die gestern Abend offiziell ihren Wahlkampf eröffneten, müssten eigentlich auch unter einem Trauma leiden. Seit 1994 haben sie es nicht mehr geschafft, in einen ostdeutschen Landtag einzuziehen. Zuletzt lag man zwar in Thüringen bei Umfragen über sechs Prozent. Am Abend des 13. Juni aber fehlte ein halbes Prozent zum Überspringen der Fünfprozenthürde.
In Sachsen ist derzeit von solchen Befürchtungen nichts zu spüren. Spitzenkandidatin Antje Hermenau, die schon im ersten sächsischen Landtag nach 1990 durch ihr flottes Mundwerk auffiel, ist in ihrer Zuversicht nicht zu bremsen. Die Bildungspolitikerin machte sich im Bundestag als Haushaltsexpertin einen Namen. Vor ihrer Schlagfertigkeit kapitulierte jetzt sogar Ministerpräsident Georg Milbradt, als er es ablehnte, mit ihr im Fernsehen zu diskutieren.
Die sächsischen Bündnisgrünen sind optimistisch wie seit Jahren nicht mehr, einige der schönen grünen Sessel im Plenum des Landtages zu ergattern. Immerhin bei sechs Prozent liegt die Partei in den Umfragen, deren Landesverband 900 Mitglieder zählt. Wo die grünen Sympathisanten zu suchen sind, zeigt eine am Mittwoch verbreitete Unterstützungserklärung. Professoren, Künstler und Unternehmer haben den Wahlaufruf unterschrieben. Auch die Kommunal- und Europawahlergebnisse im Juni rechtfertigen den Optimismus. 6,1 Prozent erreichte die Partei im Landesdurchschnitt, in der Hauptstadt Dresden sagenhafte 14,3 Prozent.
Hier ist das Ergebnis mit guter Stadtratsarbeit erklärbar, aber mancher Sachsengrüne staunt selbst, dass die Partei so wenig für den Sozialabbau in Mithaftung genommen wird. Das Thema spiele zwar auch in ihrem Wahlkampf eine große Rolle, sagt Antje Hermenau. Die Bündnisgrünen hätten aber schon frühzeitig für eine sozial gerechte Bürgerversicherung plädiert, und im Übrigen erschöpfe sich eine fünfjährige Wahlperiode nicht nur im Thema Hartz.
Gefährden will man den greifbaren Erfolg auf keinen Fall durch schwarz-grüne Koalitionsorakel, mit denen vor allem Werner Schulz 1994 seiner Landespartei eine Bärendienst erwies. Das sei „keine vernünftige Option“, sagt Antje Hermenau und haut wie zum Beweis kräftig auf die Schwarzen ein. „Wir geben uns nicht als bürgerbewegtes Feigenblatt für den CDU-Filz her!“ MICHAEL BARTSCH