: Abschiebung wider Willen
NRW will tausende von Kosovaren abschieben. Noch im Juli hatte Innenminister Behrens ein Bleiberecht gefordert. Laut UNO herrscht für die Menschen in der fremden Heimat Lebensgefahr
VON CLAUDIUS VOIGT
Nordrhein-Westfalen bereitet die Abschiebung von Menschen aus dem Kosovo vor. Innenminister Fritz Behrens (SPD) hatte noch im Juli erklärte, Angehörigen von Minderheiten ein Bleiberecht zu gewähren. Bisher werden Abschiebungen bestimmter Minderheiten von der UNO-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) nicht zugelassen, da ihre Sicherheit nicht garantiert werden könne.
Fritz Behrens ist für Überraschungen gut: Mit seinen Kollegen aus anderen SPD-geführten Ländern forderte der NRW-Innenminister Anfang Juli während der Innenministerkonferenz in einer Protokollnotiz ein Bleiberecht für Angehörige von Minderheiten aus dem Kosovo. Es müsse davon ausgegangen werden, „dass auf absehbare Zeit keine Rückführung im größeren Umfang möglich“ seien und daher „ein Bleiberecht für Angehörige von ethnischen Minderheiten aus dem Kosovo (insbesondere Roma, Ashkali, Ägypter und Serben)“ gewährt werden solle.
Flüchtlingslobby und Menschenrechtsgruppen sind nun entsetzt über die Wandlung des Innenministers: In einem Erlass an die Bezirksregierungen ordnet das Innenministerium ein Verfahren an, wie die Rückführung von Angehörigen der Minderheiten der Ashkali und Ägypter vorbereitet werden soll. Gemeinsam mit Baden-Württemberg wird NRW eine Liste von 60 Personen erstellen, die der UNMIK zur Abschiebung angekündigt werden – obwohl die UNMIK Abschiebungen dieser Gruppen bisher aus Sicherheitsgründen ablehnt. Der Erlass bittet die Ausländerbehörden um „möglichst unproblematische Fälle, bei denen weder Gesundheitsprobleme noch die Frage der Familientrennung eine Rolle spielen.“
Einen Widerspruch zu früheren Äußerungen will das Innenministerium nicht erkennen: Schließlich handele es sich bei der oben genannten Protokollnotiz „um den Ausdruck der politischen Auffassung des Innenministers, nicht um die Ankündigung einer entsprechenden Anordnung“, teilte das Behrens-Ministerium mit. Der nordrhein-westfälische Flüchtlingsrat findet den Start der Abschiebungsvorbereitungen hingegen völlig unverständlich: “Dieses Vorgehen steht in krassem Gegensatz zu den Forderungen auf der letzten Innenministerkonferenz.“
Auch der grüne Koalitionspartner zeigt sich „irritiert“ über den Rückführungs-Erlass aus dem Hause Behrens. Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der Grünen, geht allerdings davon aus, dass Nordrhein- Westfalen weiterhin für ein Bleiberecht auch von Ashkali eintreten werde. “Bei der Innenministerkonferenz im Herbst wird NRW sich verstärkt dafür einsetzen, eine Mehrheit für ein Bleiberecht zu bekommen“, so Düker.
Wie die Roma haben besonders die Ashkali unter Diskriminierungen und Verfolgung im Kosovo zu leiden: Vorläufiger Höhepunkt waren die pogromartigen Übergriffe im vergangenen März, bei denen radikale Albaner Jagd auf mehrere hundert Ashkali machten und ihre Häuser und Kirchen zerstörten. Die UNMIK konnte nicht für die Sicherheit garantieren und hat alle Abschiebungen in den Kosovo vorläufig gestoppt.