: Architektonische Rumpelfüßler
Große Architektur sieht anders aus: Der Neubau des Müngersdorfer Stadions ist wie der 1. FC Köln nur zweitklassig. Dabei war die Weltmeisterschaftsarena gar nicht so billig, wie sie aussieht
Von Cord Machens
„Man kann Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt“, hat Heinrich Zille gesagt. Er kannte die Berliner Hinterhöfe und ihre sozialen Folgen. Dass sich Architektur auf Benutzer und Betrachter auswirkt, liegt nahe und wird im Extremfall offensichtlich: in Chorweiler, in „Clockwork Orange“ oder bei Bob Dylans Konzert am 16. März 1995 in der Bielefelder Stadthalle. Er sang lieblos und lausig. Erst nach einer Stunde drehte die Band bei „Maggie‘s Farm“ auf – und verließ dann die Bühne. Es muss an der grobschlächtigen Architektur gelegen haben. Die Stadthalle ist von Marg und Gerkan. Den selben Architekten, die das „RheinEnergieStadion“ entworfen haben, den 120 Millionen Euro teuren Nachfolger des Müngersdorfer Stadions. Man hätte es also wissen können.
Stadionbauten haben zwei Probleme: den Unterbau der Tribünen und ihr Dach. Die alten Griechen haben Theater in Hänge gebaut. Das geht nicht in der Stadt. Also müssen Tribünen hoch aufgeständert werden. Das sieht nur gut aus, wenn der Hohlraum darunter verkleidet oder sinnvoll genutzt wird. Beides ist in Köln nicht geschehen. Man guckt in die banale Stützen-Balken-Konstruktion wie unter einen Rock: Man sieht, was man nicht sehen soll.
Tribünendächer sollen weit auskragen. In Köln hängen sie an einer Konstruktion aus vier Pylonen und Seilen. Das ist unglücklich, weil sie nach vorn und hinten symmetrisch auskragen. Dadurch rücken die Pylone eng in die Ecken und ihr dramatischer Fußpunkt kann nicht zelebriert werden. Außerdem sind Hängewerke altmodisch. In der Tat glaubt man von Weiden aus, eine neue Rheinbrücke zu entdecken. Und nachts leuchtet sie.
Ganz lieblos ist der Hauptzugang. Der alte Weg mit verstreuten Bänken und die expressionistische Backsteinkolonnade sind zu deplatzierten Relikten geworden. Der Neubau selbst deutet keine Mitte an – irgendwie kommt man rein. Es gibt fußballbegeisterte tazler, die es Innen gut finden. So dicht am Spielfeld, so steil und atmosphärisch. Das ist keine Kunst. Große Architektur muss mehr sein als Funktion: Sie muss gestaltet und aufregend konstruiert sein.
Stadionbauten sind von Alters her Innovationsterrain für Architekten und Ingenieure. Die Olympiabauten von Rom, München, Tokio und Barcelona stehen dafür ebenso wie die gewitzt-gewagten Fußballstadien der Europameisterschaft in Portugal. Es war, als wenn architektonischer Witz Spielwitz herausgefordert habe. Nur die deutsche Mannschaft spielte so dröge wie das Kölner Stadion aussieht: keine Eleganz, keine technischen Kabinettstücke, nur durchschaubares braves Gekicke.
Der 1. FC hat sich dem zweitklassigen baulichen Niveau seines Stadion schnell angepasst – oder ist es umgekehrt? Nur Helmut Haumann, Sponsor und Vorstandsvorsitzender der GEW, musste sich entblöden und das „ästhetisch phantastische Bauwerk“ zu Deutschlands schönstem Fußballstadion zu erklären. Tja, wer, wie er, lebemanndurchfurcht und stets braungebrannt daherkommt, kennt sich in Geschmacksfragen aus.