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Archiv-Artikel

Die Jugend trifft sich im Altenheim

Mit dem Programm „Pflege Plus“ und mehr Fördermitteln will die Landesregierung die Lage für Pflegebedürftige verbessern und Jugendliche in die Heime locken

Kiel taz ■ Mehr Zeit für Menschen, weniger für Papierkram: Die schleswig-holsteinische Landesregierung will eine neue „Pflegeoffensive“ starten. Für das Konzept, das Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) gestern vorstellte, verspricht das Land rund 1,3 Millionen Euro zusätzliche Mittel.

Mit „Pflege Plus“ soll „die Pflege in die Gesellschaft zurückgeholt“ werden: „Denn das Thema geht uns alle an“, sagte Trauernicht – schließlich wird der Altersschnitt in Norddeutschland in den kommenden Jahrzehnten kräftig steigen (taz berichtete). „Wir wollen, dass Pflegekräfte von Bürokratie entlastet werden“, so die Ministerin. Zurzeit muss jeder Handgriff am PatientInnen-Bett dokumentiert werden, demnächst soll es einen vereinfachten Bogen geben, der Pflegeheimen auf Wunsch zur Verfügung gestellt wird. Das Konzept sei bereits erprobt und habe sich bewährt.

Zusätzlich will sich Trauernicht dafür einsetzen, dass das System „Plaisir“ eingeführt wird. Mit diesem aus Kanada stammenden Verfahren können Heime ihren jeweiligen Personalbedarf berechnen – dabei stünden die PatientInnen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt.

„Wir mussten abwarten, bis auf Bundesebene die Rechte für das Programm gekauft wurden. Jetzt können wir bei den Ersten sein, die es umsetzen“, sagte Trauernicht. Schon im kommenden Jahr könne „Plaisir“ in die Heime Einzug halten, hofft Dietmar Katzer vom Landespflegeausschuss.

„Wir haben bereits eine Ausbildungsvergütung gezahlt, als das Bundesgesetz dazu noch nicht einmal beschlossen war“, so Trauernicht. Ohne qualifiziertes Personal seien die anstehenden Aufgaben nicht zu leisten. Jetzt wird die Summe von bisher 2,1 Millionen Euro jährlich um ein Drittel aufgestockt.

Eine Imagekampagne des „Bündnis Altenpflege“ soll zudem bewirken, dass junge Leute Lust auf den Job zwischen Bettschüssel und Transfusion bekommen. Und: Pflegeheime sollen zu „Orten der Begegnung“ werden. Das Konzept möchte Jugendgruppen durch die Finanzierung gemeinsamer Aktivitäten dazu anregen, einen Teil ihrer Freizeit mit den alten Leuten zu verbringen. Und auch „junge Alte“ könnten sich um die noch älteren kümmern.

In fünf Städten des Landes soll ein Modellprojekt anlaufen. Welche das sind, steht allerdings noch nicht fest – und auch wie die Ministerin mobile JungrentnerInnen für ihr Programm gewinnen will, ist noch unklar: „Fachleute vor Ort können Interessenten auswählen – aber es ist klar, dass ans Pflegebett Spezialisten gehören.“

Insgesamt will sich Schleswig-Holstein mit dem Konzept „Pflege Plus“ noch deutlicher als SeniorInnenparadies im Norden etablieren – und sollten sich doch irgendwo alte Menschen im Heimbett wund liegen oder andere Unannehmlichkeiten vorkommen: „Wir haben ein Ohr für die Belange der Bevölkerung“, sagte Trauernicht. Der heiße Draht läuft über ein Not-Telefon, und Heimpersonal wird im Beschwerdemanagement trainiert.Esther Geißlinger