fern vom zeus
: Artenschutz für canis porcinus int.

Er lauert auf der Zielgeraden. Hinter der letzen Kraulwende. Bei Kilometer 36 und mitten im 189ten Kilogramm. Er knurrt und jault, er reißt an der Kette. Und schon melden Wissenschaftler eine signifikante Zunahme an Sichtungen des scheuen Tiers in und um Athen.

Canis porcinus interior ist eine seltsame, aber nicht seltene Spezies. Sportwissenschaftler haben in den vergangenen Jahrzehnten die Forschungen über den gemeinen „inneren Schweinehund“ intensiviert. Als enger Verwandter des siamischen Flughunds, das pazifischen Seehunds, des bayerischen Sauhunds und des nordamerikanischen Hotdogs ist canis porcinus interior auf der ganzen Welt vertreten. Von blütenweiß bis rabenschwarz reichen die Fellschattierungen. Als typischer Kulturfolger macht er sich breit, wo sich Lebensräume bieten: auf der Fernsehcouch; beim Einkauf im Supermarkt; bei der Müllentsorgung. Seine Lebenszeit hat sich erstaunlich exakt dem menschlichen Lebenszyklus angeglichen.

Eine ökologische Nische hat der innere Schweinehund mit großem Erfolg besetzt: den Körper der Olympioniken. Da wird jahrelang im Training gebellt und gefaucht. Über die Jahre entstehen zwischen Sportler und Tier enge Symbiosen. Nur beim Wettkampf wollen die Sportler von ihrem treuen Gefährten, mit denen sie durch dicke und dünne Tage gegangen sind, nichts mehr wissen: Am besten wird der unermüdliche Begleiter mit zusammengebissenen Zähnen bekämpft: Schweinehund, kusch!

Aber nicht mit uns! Deutschland hat einen einflussreichen Tierschutzverein und die meisten Sorten Hundefutter. Bei uns werden Tiere auch nicht gequält, sie dürfen gemäß ihrer Natur leben. Und deshalb lassen unsere Athleten den inneren Schweinehund halt tollen und spielen: Die Schwimmer gingen mit ihm planschen; die Leichtathleten nehmen beim Gassilaufen das Tempo zurück; die Fechter zogen gegen ihn nicht blank. Andere Nationen kämpfen das possierliche Tierchen nieder: beim Radfahren. Im Marathonlauf. Beim Schwimmen. Nicht mit uns! Wir holen unsere Goldmedaillen beim Judo, beim Reiten, auf dem Trampolin und beim Schießen. Und verantwortlich ist wieder einmal Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: Wer kann es sich nach dieser Gesundheitsreform hierzulande schließlich noch leisten, kräftig und ausdauernd die Zähne zusammenzubeißen?

BERNHARD PÖTTER