: BVG will radikal abspecken
Empörung bei BVG-Beschäftigten nach Dienstversammlung: Das Unternehmen will im Jahr 2007 mit 9.500 Mitarbeitern auskommen – bisher sind es 14.000. Personalrat fürchtet eine „Zerschlagung“
von RICHARD ROTHER
Lange Gesichter gestern Mittag vor dem ICC. Viele BVG-Mitarbeiter, die die Dienstversammlung verlassen, sind wütend und traurig zugleich. „Ich fühl’ mich verarscht“, sagt ein Busfahrer. Die Misere des Unternehmens liege eher an Missmanagement denn an angeblich zu hohen Löhnen. Kämen die Gehaltskürzungen durch, „können wir unsere Betten auf der Straße aufstellen“, sagt ein anderer. „Ja, es kommen schwere Zeiten auf uns zu“, meint eine Angestellte. Fahrer würden immer gebraucht, findet ein U-Bahn-Fahrer – und fügt hinzu: „Die Frage ist nur, zu welchen Bedingungen.“
Unter anderem um diese ging es auf der Betriebsversammlung, an der rund 4.500 BVG-Beschäftigte teilnahmen. Im Vergleich zu anderen Wettbewerbern habe die BVG rund 30 Prozent zu viele Mitarbeiter, und die verbleibenden würden rund 30 Prozent zu viel verdienen, so BVG-Chef Andreas Graf von Arnim. „Wir sind nicht wettbewerbsfähig.“ Darüber müsse nun mit den Gewerkschaften verhandelt werden.
Allein in diesem Jahr müsse das landeseigene Unternehmen einen Verlust von 100 Millionen Euro hinnehmen, so von Arnim. Angesichts dieser Situation sei eine Neuausrichtung notwendig, um künftig im Wettbewerb mithalten zu können. Das Land als Eigentümer könne nicht weiter helfen.
Von Arnim plant, die BVG als Unternehmensgruppe umzustrukturieren. Insgesamt soll die Gruppe im Jahr 2007 mit rund 9.500 Mitarbeitern auskommen; heute sind bei dem Unternehmen noch rund 12.000 Mitarbeiter beschäftigt, in den Töchtern rund 2.000. Betriebsbedingte Kündigungen seien aber nicht geplant. Statt dessen müsse über „maßgeschneiderte Abfindungen“ gesprochen werden.
Der Chef des BVG-Personalrates, Uwe Nitzgen, sagte, die Stimmung unter den Mitarbeitern sei schlecht. Offenbar solle die BVG zerschlagen werden. „Die Unsicherheit ist jetzt noch größer als vor der Dienstversammlung.“ Dennoch sei das Tischtuch nicht zerschnitten. „Wir sind bereit zu verhandeln, wenn es ein Mindestmaß an Arbeitsplatzsicherheit gibt“, sagte Frank Bäsler von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Verhandelt werden dürfe nicht über einen Haustarifvertrag, sondern über einen Spartentarifvertrag, so Bäsler. Wer von 30 Prozent zu viel Lohn rede, solle mal ein halbes Jahr als BVG-Reinigungskraft arbeiten gehen und davon eine Familie ernähren. „Dann kann man weitersehen.“
Der Handlungsbedarf sei unbestritten, bekräftigte Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) am Rande der BVG-Dienstversammlung. Wenn es Lohneinbußen gebe, müssten diese sozial gestaffelt sein. Wolf regte die Tarifparteien an, einen für Berliner Nahverkehrsunternehmen geltenden Tarifvertrag auszuhandeln. Dieser könne künftig auch zur Grundlage von Ausschreibungen gemacht werden. Das heißt, dass nur solche Firmen Aufträge des Landes bekommen, die die Berliner Tarife einhalten. Der Wirtschaftssenator weiter: „Wir wollen keinen Dumping-, sondern einen Qualitätswettbewerb.“