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Archiv-Artikel

heute in bremen „Keine Konfrontation“

Religions- und Sprachwissenschaftler führen Rededuell zur Macht der Worte

taz: Herr Kippenberg, was macht Sprache aus Sicht der Religionswissenschaft aus?

Hans G. Kippenberg, Professor an der Jacobs University Bremen: Das Spannende ist nicht die Schrift, sondern die Sprache selbst. Also das, was aus heiligen Schriften wie der Bibel oder dem Koran an Erzählungen und Konzepten zu Realität wird.

Ein Beispiel vielleicht?

Nine-eleven etwa. Das war einerseits ein terroristischer Überfall auf die USA. Die Terroristen haben ihre Handlung aber anders verstanden, das waren keine moralischen Nihilisten. Es waren Leute, die die islamische Gemeinschaft bedroht sahen wie einst der Prophet in Medina und mittels eines Überfalls auf die Feinde verteidigen wollten. Mit Gebeten und Rezitationen von Suren bereiteten sie sich auf den Kriegszug vor.

Und was kann der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant dieser Sicht entgegenhalten?

Es geht nicht um Konfrontation. Das sind zwei Disziplinen, die einen Gegenstand aus ihrer Sicht beleuchten.

Keine konträren Standpunkte?

Doch. Der Sprachwissenschaftler geht eher von der Bibel aus und befasst sich damit, wie Sprache dort selbst eine religiöse Bedeutung und Macht gewinnt. Als Religionswissenschaftler beziehe ich mich darauf, wie das schriftliche Wort in ein gesprochenes verwandelt wird und dabei neue Handlungsszenarien entstehen, zum Beispiel in der Magie.

Die da wären?

Antike magische Papyri etwa handeln oft von Liebeszaubern. Durch Sprache setzt der Mensch hier übernatürliche Mächte für seine Ziele ein. Die wiederum können Einfluss auf andere Menschen nehmen. Der Mensch ist hier nicht eigenständig, nicht autonom. Das ist allerdings eine Auffassung von Mensch und Kosmos, die wir heute so nicht mehr teilen. INT.: TERESA HAVLICEK

Rededuell: Glocke, 20 Uhr, 6 Euro