Italien und Libyen im Migrantenschacher

Berlusconis Blitzbesuch bei Gaddafi: Halt mir deine Illegalen vom Leib, dann kriegst du auch was. Aber was?

ROM taz ■ Mit dem Besuch Silvio Berlusconis bei Muammar al-Gaddafi haben sich die Bemühungen Italiens um eine intensive Kooperation mit Libyen bei der Abwehr illegaler Einwanderung weiter verstärkt. Nach seiner Blitzreise am Mittwochabend bilanzierte Berlusconi gestern voller Optimismus, die italienisch-libysche Zusammenarbeit „bei der Steuerung der regulären Migrationsflüsse und bei der Bekämpfung der klandestinen Immigration“ könne gar zum „Vorbild für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika“ werden.

Den Besuch in Gaddafis Wüstenzelt hatte der italienische Ministerpräsident allerdings bloß angetreten, weil Libyen bisher trotz aller Bereitschaftsbekundungen seine Seegrenze, von der aus die Immigrantenboote Richtung Sizilien und Lampedusa auf Reise gehen, bisher nicht abgeschottet hat. Just einen Tag vor dem Wüstengipfel traf in Lampedusa wieder ein Schiff mit 275 Passagieren ein. Zwar hat Libyens Regierung bei einem Besuch des italienischen Innenministers Giuseppe Pisanu im Juli schon ihre Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Immigrantenabwehr bekundet, zwar einigten sich beide Länder im August auf einen konkreten Maßnahmenkatalog: gemeinsame See- und Landpatrouillen in Libyen, Ausbildung der libyschen Einheiten durch italienische Instrukteure, Stellung von Gerät durch Italien. Zwar verhandeln Ministerialbeamte beider Länder schon über technische Details wie die nötigen Impfungen der nach Libyen zu entsendenden italienischen Beamten. Zwar ließ die italienische Seite jetzt auch verlauten, Berlusconi und Gaddafi hätten sich auf zwei weitere Maßnahmen verständigt: die Schaffung von italienisch finanzierten Auffanglagern für „Illegale“ in Libyen sowie die Einrichtung von italienischen Beratungsbüros in Libyen, bei denen Afrikaner die legale Einreise nach Italien beantragen können. Entscheidende politische Hindernisse aber sind noch nicht ausgeräumt.

Das machte Gaddafi gleich zum Auftakt des Besuchs deutlich. Als Erstes nämlich hatte Berlusconi ein Mahnmal in Gardabiya zu besuchen; dort hatten italienische Kolonialkräfte 1915 einen libyschen Aufstand blutig niedergeschlagen. Gaddafi drängt weiter auf italienische Reparationsleistungen für die Kolonialzeit. Was in diesem Punkt am Mittwoch besprochen wurde, behielt Berlusconi für sich. Außerdem steht weiter die Frage der Beziehungen Libyens zur EU im Raum. Hier macht Gaddafi geltend, dass eine Zusammenarbeit gegen illegale Migration das Ende des Embargos gegen sein Land voraussetze; schließlich fallen jene Ausrüstungsgegenstände, die Italien Libyen zur Verfügung stellen will – Fahrzeuge, Patrouillenboote, Radaranlagen – als „Dual-use-Güter“ unter das Embargo.

Sicher ist deshalb vor allem, dass beide Länder weiterverhandeln. Im September soll Innenminister Giuseppe Pisanu, der auch am Mittwoch dabei war, wieder nach Libyen reisen.

MICHAEL BRAUN