: Zwölf faire Fragen
Missionare, ein VW-Bus und Masken aus Afrika: So fing alles an. Heute erledigen Profis das faire Geschäft – der Umsatz steigt und steigt
Was macht fairen Handel fair?
Ein angemessener Preis für die Ware. Dieser ist kein Almosen. Er orientiert sich aber auch nicht am Markt, sondern entspricht dem, was ihr Produzent – etwa ein Orangenpflücker oder eine Teppichknüpferin – braucht, um davon zumindest die Produktionskosten bezahlen zu können. Faire Importorganisationen bezahlen einen Teil der Ernte- oder Materialkosten im Voraus, schließen langfristige Lieferverträge ab, die beide Seiten partnerschaftlich gestalten, und verzichten auf Zwischenhändler, die sonst mitverdienen.
Wer profitiert vom fairen Handel?
1. Der Kleinbauer: Er kann seine Lebensverhältnisse verbessern, seine Existenz sichern und hat eine Zukunftsperspektive – im Gegensatz etwa zu den rund 25 Millionen Kaffeebauern, die derzeit vor dem Ruin stehen, weil der Kaffeepreis auf das Niveau von vor hundert Jahren gesunken ist (siehe S. I).
2. Das Umfeld der Produzenten: Faire Handelsorganisationen leisten häufig parallel Entwicklungsarbeit; investieren etwa in Ausbildungs- und Sozialprogramme oder helfen Vertriebsstrukturen aufzubauen.
3. Der Konsument: Er bekommt ein qualitativ hochwertiges Produkt, das nicht nur fair, sondern meist auch öko ist. Das schmeckt, gefällt und lässt ruhig schlafen.
Wie fing alles an?
Mit afrikanischen Holzmasken. Religionslehrer aus Barmen brachten sie Mitte der 1960er im VW-Bus von ihrer Missionsreise aus Afrika mit und verkauften sie auf dem heimischen Basar. 1973 duftete erstmals fair gehandelter „Indio-Kaffee“ aus Guatemala in deutschen Tassen – die „Aktion Dritte Welt Handel“ hatte ihn importiert. Aus ihr wurde 1975 die „Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt“ (Gepa). Im selben Jahr entstand der Weltladendachverband. Erkennungszeichen der Anhänger des neuen Einkaufstrends: die gute alte Jute-Tasche, made in Bangladesch. Als 1993 der Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der „Dritten Welt“ (TransFair) entstand, kam frischer Wind in die Bewegung. Das „TransFair“-Label, das auf strengen Produktions- und Handelskriterien beruht (s. u.), verhalf den Nischenprodukten zum Einzug in die Supermarktregale.
Was bietet der faire Markt?
Die Klassiker sind Tee, Kaffee und Schokolade (Kakao). Fairtrade-Siegel zieren auch Honig, Zucker, Bonbons, Bananen und Orangensaft. Zudem gibt es handwerkliche Produkte wie Körbe, Lederwaren, Spielzeug, Kleidung oder auch Blumen aus fairem Handel zu kaufen.
Wo kann man fair shoppen?
Die etwa 800 Weltläden sind in Deutschland der kleine harte Kern des fairen Geschäfts. Auch in Naturkostläden und 22.000 deutschen Supermärkten gibt es Produkte mit dem TransFair-Label zu kaufen. In Drogerien findet man Kleinkindtextilien, im Internet fast alles, was das faire Herz begehrt.
Wer kauft fair?
Der typische Käufer ist eine Käuferin, lebt im Südwesten Deutschlands und ist zwischen 30 und 49 Jahre alt – so eine Emnid-Umfrage. 5,5 Prozent aller Konsumenten kaufen regelmäßig fair ein. Ihre Motive: „keine Kinderarbeit“ und „religiöse Gründe“. Fast ein Viertel der Deutschen greift gelegentlich zu Fairtrade-Produkten, ein gutes Drittel nie – wie zu erwarten vor allem aus Geldgründen.
Wie läuft das Geschäft?
Die Gepa steigerte ihren Umsatz im Jahr 2002 wie in den vergangenen drei Jahren um sieben Prozent auf 35,7 Millionen Euro. Für 20 Millionen davon sorgten die Weltläden, deren Absatz ebenfalls stetig wächst, seit sie mit längeren Öffnungzeiten und zentral gelegenen Läden professioneller auftreten (siehe S. IV).
Produkte mit dem TransFair-Label mussten dieses Jahr Einbußen von bis zu zehn Prozent verschmerzen. Der Grund: Seit die Kaffeepreise im Keller sind, hat das Umsatz-Zugpferd „TransFair-Kaffee“ gegen Billigangebote von Markenfirmen noch schlechtere Chancen. Im Jahr 2002 gingen 60 Millionen Pfund Kaffee mit TransFair-Label über die Tresen, dazu 1.500 Tonnen Tee und eine Million Liter Orangensaft. 50 Fairtrade-Kaffemarken erwirtschafteten ein Prozent des Kaffeeumsatzes in Deutschland.
Gibt es fair, fairer und am fairsten auf dem Markt?
Am glaubwürdigsten sind Siegel, bei denen die Einhaltung der Kriterien unabhängig kontrolliert wird. Das gilt für fast alle in Deutschland bekannten Fair-Trade-Labels, ihre Kriterien unterscheiden sich kaum (siehe S. VIII). Bei der Gepa, in Welt- oder anderen Läden gibt es auch faire Produkte zu kaufen, die nicht mit einem offiziellen Label ausgezeichnet sind. Importeure hingegen, deren Produzenten lediglich Sozialstandards wie Mindestlöhne oder „keine Kinderarbeit“ einhalten, handeln deshalb noch lange nicht fair.
Ist fair gleich bio?
Nein. Aber über die Hälfte der fair gehandelten Produkte tragen auch ein Bio-Label. Beim Tee ist es noch mehr – galt er doch als Wegbereiter für einen Wandel unter Teetrinkern: Heute gehört Öko-Tee, den die Gepa 1987 erstmals aus Sri Lanka nach Deutschland einführte, zum Standardsortiment in jedem guten Teegeschäft. Bio-Kaffeebauern bekommen einen Aufpreis von 10 US-Cents pro 453 Gramm (ein US-Pfund) vom Verkäufer. Faire Preise sind oft der erste Schritt zu einer ökologischen Anbauweise.
Müssen Fairtrade-Produkte immer teurer sein?
Gegenfrage: Warum nur sind die anderen Produkte so billig?
Ist der normale Handel also unfair?
Hier regelt der Weltmarkt den Preis. Und wie der organisiert ist, hat der WTO-Gipfel in Cancún gezeigt. Gerade die Bedingungen in konventionellen Kaffee-, Baumwoll- oder Blumenplantagen entsprechen moderner Sklaverei: Die Arbeiter bekommen für Schwerstarbeit meist Hungerlöhne, haben keine Rechte und leiden unter sengender Hitze und Pestizideinsatz.
Was verspricht die Zukunft?
Fairen Genuss! Die Gepa wird demnächst weitere Schokoriegel, Studentenfutter sowie Bio-Capuccino, Spaghetti und Soja-Drinks in ihr Sortiment aufnehmen. Und sobald die Kriterien feststehen, gibt es auch Reis, Frischfrüchte und Wein mit TransFair-Siegel zu kaufen.
KATHRIN BURGER