Frohe Mienen beim Energiegipfel

Nach dem Spitzentreffen beim Kanzler herrscht gute Laune: Der Emissionshandel soll keine „Wachstumsbremse“ werden, so die Einigung. Selbst Industrie „ganz zufrieden“ mit Trittin. Doch die wirklich kniffligen Fragen stehen der Wirtschaft noch bevor

von MATTHIAS URBACH

Nach dem Energiegipfel präsentierte sich gestern Morgen ein aufgeräumter Umweltminister den Kameras. Der Streit zwischen ihm und dem Wirtschaftsminister sei „gar nicht so gewaltig“, sagte Jürgen Trittin dem ZDF.

Mit einiger Wut im Bauch waren viele Firmenchefs ins Kanzleramt gekommen, und etwas beruhigt fuhren viele wieder nach Hause. In einer ausführlichen Chart-Präsentation hatte der Umweltminister den Vertretern von Industrie und Gewerkschaften seinen Gesetzentwurf für den Treibhausgas-Emissionshandel (TEHG) vorgetragen. Demnach bekommt jede größere Fabrik in Deutschland – es geht um 4.000 bis 5.000 Anlagen – eine Ration von Emissionsrechten zugeteilt, die dem Unternehmen erlaubt, eine bestimmte Menge Klimagase in den Himmel zu pusten. Stößt es mehr aus, muss es sich Emissionsrechte von Firmen dazukaufen, die ihre Ration nicht aufbrauchen.

Zwei Dinge konnte Trittin zur Erleichterung der Runde auf der zweistündigen Sitzung offenbar klar machen: Erstens wird beim Emissionshandel nicht draufgesattelt; die ausgeteilten Emissionsrechte orientieren sich an der Selbstverpflichtung der Industrie, bis 2010 insgesamt 35 Prozent weniger Kohlendioxid als 1990 auszustoßen. Zweitens will der Minister dafür sorgen, dass die EU-weiten Regelungen so ausfallen, dass bislang säumige Länder nicht von ihrem Nichtstun profitieren können.

Im Anschluss betonte etwa der Chef der Norddeutschen Affinerie und BDI-Funktionär Werner Marnette, dass er „ganz zufrieden“ nach Hause fahre: Die Grundzüge des Emissionshandels seien akzeptabel. Auch Hubertus Schmoldt, Chef der Energiegewerkschaft IG BCE, äußerte sich optimistisch, dass der Streit um die Zukunft der Energiepolitik bald ein Ende finden könne.

Dabei steht der Emissionshandel erst ganz am Anfang. Noch muss entschieden werden, nach welchen Regeln die Emissionsrechte unter den Fabriken aufgeteilt werden. Es ist schon absehbar, dass viele Firmen um Ausnahmen betteln werden. Deshalb strebt Trittin eine transparente, einheitliche Formel an. Doch bekannt ist auch die Neigung des Kanzlers, Drängen nach Sonderregeln nachzugeben.

Schon im Vorfeld beobachteten Energieexperten im Umfeld der Regierung eine heftiges Gerangel hinter den Kulissen: Unter den Firmen ginge es zu „wie auf den Golanhöhen“. Bis zum April muss Trittin im nationalen Allokationsplan die genaue Zuteilung der Emissionsrechte nach Brüssel melden.

Strittig im Kabinett ist auch die Frage, wer denn nun die Hand auf der neu zu bildende Aufsichtsbehörde hat, die den Emissionshandel überwachen soll. Trittin wünscht sich die Behörde in seiner Zuständigkeit, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement bevorzugt eine private Lösung. Der Hintergrund: Trittin möchte den Handel unbedingt zum Erfolg führen und auf andere Schadstoffe ausweiten. Clement sähe lieber ein Scheitern des Brüsseler Modells.

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