: Ablasshandel mit Umweltsünden
Wer fliegt, den müsste eigentlich das schlechte Gewissen wegen der Verpestung der Umwelt plagen. Mit dem „Climate-Ticket“ kann man die Sünde aber bezahlen
BERLIN taz ■ Fliegen ohne schlechtes Gewissen: Wer es jemals gehabt hat, kann sich jetzt freiwillig von der Schuld an der Umweltverpestung durch Flugzeuge freikaufen. Für 8 Schweizer Franken (5,20 Euro) pro Flugstunde verkauft der Züricher Verein „My Climate“ so genannte Climate Tickets. Das Geld wird in Klimaschutzprojekte investiert, die die Treibhausgasemissionen des Fluges kompensieren. Fliegen gilt als besonders klimaschädlich – denn in der Atmosphäre wirkt nicht nur Kohlendioxid als Treibhausgas, sondern auch der Wasserdampf, der bei der Kerosinverbrennung entsteht.
„Wir wollen kein gutes Gewissen bieten, sondern die Leute dazu bringen, über die Konsequenzen ihres Fluges nachzudenken“, sagt Vereinsgeschäftsführer Thomas Camerata. Die vor gut einem Jahr gegründete Organisation wächst: Über die Website setzen die Jungunternehmer rund 50 Tickets im Monat ab. Zu den Stammkunden zählen Unternehmen und Forschungsinstitute. Eine Kooperation mit einem Schweizer Reiseveranstalter soll im nächsten Jahr starten – dann gibt’s das Climate-Ticket auch am Schalter und nicht nur online.
Mit dem Erlös der Climate Tickets werden zum Beispiel Sonnenkollektoren in Costa Rica finanziert, die einen Dieselkessel ersetzen; weitere Projekte sind in Indien und Südafrika geplant. „Die Vorhaben werden von unabhängigen Wissenschaftlern überprüft“, erklärt Camerata. Damit sei sichergestellt, dass das Geld auch wirklich beim Projektpartner ankommt.
Umweltverbände beurteilen Kompensationszahlungen im Flugverkehr unterschiedlich. Tilmann Heuser, Verkehrsexperte beim BUND, ist skeptisch: „Das dient in erster Linie dazu, sich ein gutes Gewissen zu erkaufen“, sagte er der taz. Der Nabu findet die Idee im Grundsatz gut. „Solche Kompensationszahlungen müssten verpflichtend sein“, fordert Frank Musiol, Energie- und Klimareferent beim Nabu. Denn: „Flugtickets müssen viel teuer werden, damit sie die wahren Kosten des Flugverkehrs widerspiegeln.“
Die Fluggesellschaften Lufthansa, LTU und Deutsche BA haben von „My Climate“ zwar erst wenig gehört, stehen der Kompensation von Treibhausgasen aber offen gegenüber: „Wir untersuchen solche Konzepte“, sagte ein Lufthansa-Sprecher. LTU arbeitet derzeit nach Angaben eines Unternehmenssprechers gemeinsam mit dem WWF ein Umweltprogramm aus, bei dem auch Klimaschutzprojekte eine Rolle spielten.
Die Hannovaner Firma 500 PPM geht mit ihrem Angebot noch ein ganzes Stück weiter. Auf ihrer Website kann man sich die CO2-Emissionen berechnen lassen, die man im Alltag verursacht. Elf Tonnen CO2 sind es bei einem durchschnittlichen Deutschen im Jahr. Nur wenige gehen allerdings so weit, für diese Umweltverschmutzung zu bezahlen, was etwa 100 Euro im Jahr kosten würde. Die Hannoveraner berechnen aber auch die Emissionen, die bei Veranstaltungen entstehen. Dazu gehören Kongresse und Hochzeitsfeiern. Die Projekte, die 500 PPM unterstützt, erfüllen den so genannten „Gold Standard“, den der WWF entwickelt hat. „Das Geld wird zum Beispiel in erneuerbare Energien investiert“, erklärt Klein.
Was lässt sich noch „kompensieren“? Fußball zum Beispiel. Die Organisatoren der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland haben die „weltweit erste klimaneutrale Sportgroßveranstaltung“ angekündigt.
BERND MIKOSCH