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Archiv-Artikel

So ein Tag …

„Ein wahr gewordener Traum“: Während die CSU trunken ist vor Glück, erinnert SPD-Spitzenkandidat Franz Maget an die „Rahmenbedingungen“

aus München JÖRG SCHALLENBERG

Es dauert einen Moment, bis der frenetische Jubel losbricht. So richtig kann man es selbst in der siegesgewohnten CSU-Fraktion nicht fassen, als die ersten Zahlen der Wahlprognose über den Bildschirm flimmern. 62 Prozent verspricht die ARD, das ZDF nur etwas weniger. Noch wichtiger: Man kann nun wohl mit Zweidrittelmehrheit regieren. Das hat erhebliche Auswirkungen. Das übertrifft selbst die Voraussagen, der Meinungsforscher – das ist eine der größten Siege, den die CSU je eingefahren hat. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl (52,9) legt die Partei gewaltig zu. Sofort raunt man den Namen Alfons Goppel, der als Ministerpräsident ja einst mit 62,1 Prozent den bayrischen Rekord aufstellte.

Zugleich ist es die mit Abstand bitterste Niederlage der bayerischen SPD nach dem Zweiten Weltkrieg und die schlimmste Schlappe in einem westdeutschen Bundesland.

Als Spitzenkandidat Franz Maget in die Fraktion kommt, gibt es Applaus. Müden Applaus. Auch als er sagt, er habe „bis zum letzten Moment gekämpft“. Als er ausführt, die „Ausgangs- und Rahmenbedingungen“ seien „noch bei keiner Wahl so schlecht gewesen wie dieses Mal“. Jeder versteht: Damit meint er die Bundespartei. Und Schröder.

Der Morgen

Als der graue Zettel in der Wahlurne verschwunden ist, lächelt Franz Maget gequält in die Runde. Irgendetwas muss er als Spitzenkandidat der SPD jetzt sagen. Also blickt er in die Kameras und spricht: „Wenn alle so gewählt haben wie wir, dann geht es gut aus.“ Sarkasmus?

Es ist Sonntagmorgen, kurz nach elf, und die Wahllokale in Bayern haben noch knapp sieben Stunden geöffnet. Trotzdem denkt sich Franz Maget vermutlich schon jetzt, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gut ausgehen wird. Gar nicht gut. Womöglich eher katastrophal. Weil die meisten der bayerischen Wähler einfach nicht so wählen wollten wie der 49 Jahre alte Maget und seine Frau Dorle, mit der er an diesem Morgen bei strahlendem Sonnenschein zum Wahllokal im Münchner Norden gekommen ist. „Sind Sie auch so froh, wenn es vorbei ist?“, hatte er bei seiner Abschlusspressekonferenz gefragt.

Wie es am Abend kommt, ahnt Maget wohl schon, als er am Morgen auf Reporterfragen noch trotzig antwortet: „Ich glaube den Demoskopen nicht.“

Denn zum einen hat Maget alles getan, hat in den letzten Wochen mit seinem blau-roten Wahlkampfbus 30.000 Kilometer kreuz und quer durch Bayern abgefahren und dabei 500 Termine absolviert – fast doppelt so viele wie sein Kontrahent Edmund Stoiber. Dennoch kannte wenige Tage vor der Wahl beinahe ein Drittel der Bevölkerung den SPD-Spitzenkandidaten nicht einmal. Vielleicht liegt es an der eigentlich angenehmen, aber für einen harten Wahlkampf ungeeigneten zurückhaltenden Art des geborenen Parteistrategen Maget, der sich nur ungern in den Vordergrund drängt und sich auch im Wahllokal brav in die Schlange einreiht.

Allerdings präsentierte sich auch Edmund Stoiber ungewohnt bescheiden, als er am Sonntagmorgen kurz nach neun Uhr seine beiden Stimmen in seinem Heimatort Wolfratshausen abgab. „50 Prozent plus ein möglichst großes X“ wären sein Ziel, ließ der Ministerpräsident einen Sprecher mitteilen. Darüber durfte man getrost lächeln. Fürchten musste Stoiber eigentlich nur zwei Gegner: das herrliche Sommerwetter und das erste Wochenende des Münchner Oktoberfestes. Tatsächlich hielt diese Kombination auch viele Bürger von den Wahlkabinen fern.

Am Sonntagmorgen will SPD-Kandidat Maget solche Vorteile freilich nicht erkennen, es wäre auch eher komisch. Für ihn ist die Auseinandersetzung mit Edmund Stoiber nicht das einzige Duell an diesem Tag. Für ihn geht es auch darum, seinen Münchner Stimmkreis gegen die Kultusministerin und Münchner CSU-Chefin Monika Hohlmeier zu gewinnen, was ihm bereits zweimal gelungen ist. Der mit der Verkleinerung des Landtags notwendig gewordene Neuzuschnitt des Stimmkreises ließ allerdings dieses Mal eine Niederlage befürchten. Aber, wer war noch mal Maget?

Am Wahlabend raunt man über die künftige Stellung des bayerischen Ministerpräsidenten in der Bundespolitik. Über die neue Machtfülle in Bayern, die man in mehr als 40 Jahren mit absoluter Mehrheit noch nicht hatte.Die Verjüngung der Parteispitze, die teilweise Umbildung des Kabinetts, darüber kann man auch morgen noch reden.

So ein Tag. „Ein wahr gewordener Traum“, seufzt CSU-Generalsekretär Thomas Goppel. Aber schnell hat er sich wieder im Griff und verspricht „ verantwortungsvoll mit der Zweidrittelmehrheit“ umzugehen. Auch Stoiber sagt schon in seiner ersten Stellungnahme zu, mit der Verantwortung „sehr sorgsam“ zu sein. Er lächelt sein Stoiber-Lächeln.

Es ist zu schön.