piwik no script img

Archiv-Artikel

Berlin macht depressiv

Die Techniker Krankenkasse warnt: Depressionen verursachen mehr als 1,3 Millionen Fehltage pro Jahr. Berlin liegt damit weit über dem Bundesdurchschnitt. Nur Hamburg ist noch depressiver

von JAN ROSENKRANZ

Die Stadt ist mehr als pleite, der Herbst hat Konjunktur und Hertha noch immer keinen Sieg errungen. In Berlin finden sich ausreichend Gründe, depressiv zu werden. Kein Wunder also, dass die Depression dem jüngsten Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge in Berlin zu 50 Prozent mehr Fehlzeiten führt als im Bundesdurchschnitt. Bei den berufstätigen Berliner TK-Versicherten rangiert sie auf Platz drei der Diagnose-Hitliste – gleich hinter Erkrankungen des Bewegungsapparats und der Atemwege.

Nach Hochrechnungen der TK gingen damit im vergangenen Jahr allein in Berlin rund 1,3 Millionen Fehltage auf das Konto von Depressionen. Das sind knapp 6 Prozent der gesamten Fehlzeiten. Nur Hamburg ist noch depressiver. Dort lassen sich sogar knapp 9 Prozent der gesamten Fehltage darauf zurückführen. Hier wie dort sind Frauen doppelt so oft betroffen wie Männer.

Besonders beunruhigend sei vor allem die rasche Zunahme der Fälle. „Seit dem Jahr 2000 verzeichnen wir jährliche Steigerungsraten zwischen 3 und 4 Prozent“, sagt Detlef Natusch von der TK-Landesvertretung Berlin-Brandenburg. Zudem seien die meisten Fälle mit Krankschreibungen von über 50 Tagen verbunden. Hinzu komme eine weit höhere Zahl an ärztlichen Verschreibungen von Antidepressiva, die nicht mit einer Krankschreibung verbunden seien.

„Depressionen haben eindeutig einen sozialen Hintergrund“, so Natusch. So führen Arbeitslose die Statistik eindeutig an, gefolgt von Gesundheitsdienstberufen (bei Männern) und Sozial- und Erziehungsberufen (bei Frauen).

Mit steigendem Bildungsstand sinkt die Wahrscheinlichkeit, unter Depressionen zu leiden. So sind Männer mit Haupt- oder Realschulabschluss und ohne Berufsausbildung etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer mit Abitur und Berufsausbildung – und fast dreimal so oft wie Hochschulabsolventen.

Der TK-Report gilt – der Klientel der Kasse gemäß – vor allem für den technischen Bereich und ist damit nicht für die gesamte Berliner Wirtschaft repräsentativ. Allerdings bestätigt eine Studie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) aus dem vergangenen Jahr den Trend. Demnach ist der Anteil psychischer Erkrankungen am allgemeinen Krankenstand in Berlin von 9,6 Prozent (1999) auf 10,5 Prozent (2001) gestiegen.