Verfassungsrechtlich unmöglich

betr.: „Keine Gnade für Asylbewerber?“, taz bremen vom 17.09.2003

Hätte es nicht mit dem Schicksal von Menschen zu tun, könnte man schon fast darüber lachen, mit welcher Regelmäßigkeit jeder neue Innensenator nach kurzer Amtszeit den Versuch unternimmt, sich mit verbaler Härte gegen abzuschiebende Ausländer zu profilieren. Erinnern wir uns noch an die Kampagne seiner Vorgänger gegen sogenannte „Scheinlibanesen“, fällt die unselige Kontinuität dieser rechtspopulistischen Profilierungsversuche unweigerlich auf. Um welche Menschen geht es? Menschen, die vor etlichen Jahren aus dem libanesischen Bürgerkrieg geflüchtet waren, um sich und ihre Kinder zu schützen, und die zum Teil falsche Identitäten angegeben haben, sei es aus Angst oder aufgrund falscher Beratung. Das ist nicht in Ordnung, aber doch immerhin verständlich, wenn man das brennende Beirut noch vor Augen hat und die Angst, dorthin zurück geschickt zu werden, ermessen kann. Diese Menschen sollen nun mal wieder abgeschoben werden. Ein Unterfangen, das schon unter mehreren Innensenatoren an den Gesetzen dieses Landes zu Recht gescheitert ist. Dann werden diese Gesetze eben geändert und Beugehaft gegen alle verhängt, die sich weigern, an ihrer eigenen Abschiebung mitzuwirken, tönt es aus dem Hause des Innensenators. Die Bravorufe der Stammtische sind förmlich zu hören, aber der verfassungsrechtlich und völkerrechtlich verankerte Grundsatz steht dagegen: Niemand kann gezwungen werden, gegen sich selbst zu handeln. Natürlich weiß das als Jurist auch der Innensenator, oder sollte es zumindest wissen. Natürlich weiß der Innensenator auch, dass der sozialpsychiatrische Dienst des Landes Bremen in keiner Weise leichtfertig oder gar unbegründet Reiseunfähigkeit bescheinigt und dass in solchen (wenigen) Fällen in der Regel bereits gleichlautende Diagnosen niedergelassener Ärzte vorliegen. Und der Innensenator weiß auch, dass die Abschiebung von „Teilfamilien“ aus verfassungsrechtlichen Gründen in der Regel nicht möglich ist. Was sollen also diese immer wiederkehrenden unsäglichen Verbalradikalismen? Ist angesichts von organisierten rechtsradikalen Strukturen und gerade knapp verhinderten Anschlägen auf jüdische Einrichtungen nicht dringend Zeit, für einen anderen Geist an deutschen Stammtischen zu sorgen? Hier wäre das gleiche Engagement wie bei der Rettung von schließungsbedrohten Freibädern sicherlich nicht fehl am Platz.

ARMIN VON DÖLLEN, Bremen