: „Juden raus“ in Hastedt
Einen Steinwurf vom Jüdischen Friedhof entfernt werden Hakenkreuze und Nazi-Sprüche gesprüht und geschmiert. Jugendliche wollen das Thema im Stadtteil publik machen – bisher vergebens
Bremen taz ■ Von der Hastedter Heerstraße zweigt ein schmaler Weg ab. „Zu den vier Linden“ heißt er und führt, vorbei an ein paar Wohnblocks und einer Kette bescheidener Reihenhäuser, auf die Fleetrade und von hier in die Deichbruchstraße. Dort liegt, unauffällig hinter einem schmiedeeisernen Eingangstor inmitten einer Häuserzeile, seit 1796 der Jüdische Friedhof – bis heute der einzige in Bremen. Keine hundert Meter von ihm entfernt prangen seit kurzem auf Stromkästen, Zigarettenautomaten und Hauswänden „Juden Raus“-Schriftzüge. NPD-Aufkleber und Republikaner-Sprüche kleben daneben, sofern sie nicht von Hastedter Antifaschisten überklebt wurden. „Das Problem ist: Außer uns scheint das hier niemanden zu interessieren“, klagt der 25-jährige Geschichtsstudent Tobias Helfst.
Zusammen mit anderen jungen Leuten hat er versucht, Bürger und Institutionen im Osten Bremens auf die antisemitischen Parolen aufmerksam zu machen. Helfst wohnt wie sein Mitstreiter Julian Komar (18) mitten in Hastedt, einem kleinbürgerlich geprägten Quartier hinter der Georg-Bitter-Trasse. Mit Besorgnis registrieren sie, dass immer neue rechtsradikale Schmierereien auftauchen. „Wenn das ein paar durchziehende Nazis gewesen wären, würden die Sprüche und Hakenkreuze nicht ständig aktualisiert werden“, ist Komar sich sicher. Einig sind sie sich auch darin, dass es sich um ein relativ neues Phänomen in Hastedt handelt. Zwar sitzt im Hemelinger Beirat, der für Hastedt mit zuständig ist, auch ein Abgeordneter der Schill-Partei, ansonsten aber sind in dem von kleinen Reihenhäusern geprägten, an manchen Ecken dörflich wirkenden Viertel Rote und Grüne tonangebend.
„Wir haben Fotos von dem Geschmiere und E-Mails an Hans und Franz geschickt – aber keine Reaktion gekriegt“, so die 16-jährige Schülerin Helke Diers, die frustriert ist, dass ein „Bündnis gegen rechts“ dort nicht zustande kommt. Auch der Hemelinger Beirat hüllt sich bis dato in Schweigen. Ein Umstand, der umso mehr verwundert, als zwei Elternteile der Jugendlichen selbst für die SPD beziehungsweise für die Grünen im Beirat sitzen. Der Ortsamtsleiter Uwe Höft (SPD) jedenfalls will von der ganzen Angelegenheit noch nichts gehört haben: „Ich selbst weiß nichts davon, und bislang hat sich auch kein Beiratsmitglied dazu geäußert“. „Kann nicht sein“, halten die Jugendlichen dagegen, die eher vermuten, dass ihre Hinweise ignoriert werden, weil sie unter dem Namen ‚solid – sozialistische Jugend‘ gesendet werden. „Aber selbst wenn man da Reflexe hat, sollte man bei einem solchen Thema über seinen Schatten springen“, findet Helfst.
Der Sprecher der CDU-Beiratsfraktion, Andreas Hipp, dem, wie er sagt, „der Vorgang bekannt ist“, will das Thema auf der nächsten Fraktionssitzung einbringen. Er finde es „natürlich erschreckend, dass diese Klientel das genau in dieser Gegend macht“, und spielt damit nicht nur auf den jüdischen Friedhof, sondern auch auf das Flüchtlingswohnheim in der Fährstraße an.
Ortsamtsleiter Höft will einer Beschäftigung mit dem Thema ebenfalls nicht im Wege stehen. Mehr als bürokratische Vorgehensweisen kommen ihm allerdings zunächst nicht in den Sinn: „Die Frage wäre, wen man mobilisieren könnte, um das hier zu beseitigen.“ Gerade wenn es sich um Schmierereien auf Privathäusern handele, sei das unter Umständen langwierig. Was die Täter anginge, so müsse man sich bei der Polizei erkundigen, „aus welcher Ecke das kommt“.
Die „Ecke“ war erst vor kurzem auf der Tagesordnung des niedersächsischen Verfassungsschutzes. In der rechtsextremen Szene verschärft sich nach dessen Beobachtungen der Antisemitismus seit einiger Zeit. „Er wird immer mehr in den Mittelpunkt der Propaganda gerückt. Früher war es der Türke, heute ist es der Jude“, so der Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes Rüdiger Hesse – in seinen Augen eine „ganz gefährliche Entwicklung“.
Elke Heyduck