CDU-FRAKTION: NUR MERKEL SCHAFFT EINEN TRIUMPH
: Merz präsentiert die Probleme der CDU

Wenn es Friedrich Merz nicht gäbe, müsste Angela Merkel ihn erfinden. Da drohte die CDU-Chefin nach dem Wahlsonntag schon im Schatten des mächtigen Bayern Edmund Stoiber zu verschwinden, doch ausgerechnet der ärgste innerparteiliche Feind bot ihr die unverhoffte Gelegenheit zur Demonstration von Führungsstärke. Nur wenige Stunden, nachdem Merz seine Attacke gegen den parteiübergreifenden Gesundheitskonsens geritten hatte, musste er wieder zu Kreuze kriechen – und wurde bei den gestrigen Fraktionswahlen auch noch abgestraft. Mit mageren 73 Prozent musste sich der Stellvertreter zufrieden geben, während die Chefin mit mehr als 93 Prozent der Stimmen triumphierte.

Damit erhielt Merz die Quittung dafür, dass er seinen Finger so kurz nach dem bayerischen Triumph ausgerechnet in jene Wunde legte, die seine Partei zurzeit am meisten schmerzt. Denn die Gesundheitspolitik steht wie kein anderes Thema für das strategische Dilemma, das die Union in den kommenden Monaten noch zur Genüge plagen wird. Sie steht für den Spagat zwischen Blockade und Kooperation im Umgang mit der Regierung, und sie steht für das oftmals vergebliche Ringen um eine eigene Position.

Die Parteirechte war düpiert, weil das Verhalten des Gesinnungsgenossen ihren Verrat an eigenen Prinzipien noch einmal bloßstellte, und für den sozialpolitischen Flügel ist der Wirtschaftsliberale Merz ohnehin ein rotes Tuch. Bei keinem einzigen der heiß diskutierten Reformthemen verfügt die Union über eine einheitliche Position. Bürgerversicherung oder Privatkassen, Steuerreform ja oder nein – solche Fragen werden im günstigsten Fall nach taktischen Gesichtspunkten entschieden, im ungünstigsten Fall nach dem Zufallsprinzip.

Derzeit profitiert die Union ausschließlich von der Schwäche der SPD, wie auch das bayerische Wahlergebnis zeigte. Daher könnte sich der Münchener Triumph noch als einer jener Siege erweisen, die den Keim künftiger Niederlagen schon in sich tragen. Merz kommt das zweifelhafte Verdienst zu, dass er den Absturz in die Realität ein wenig vorgezogen hat – ohne dass er freilich einen Weg zur Besserung gewiesen hätte.

Obendrein lässt das gestrige Wahlergebnis das nächste Ungemach ahnen. Mit 83 Prozent der Stimmen gaben die Abgeordneten ihrem Fraktionsvize Wolfgang Schäuble nicht gerade einen überzeugenden Vertrauensbeweis für eine Kandidatur um das Amt des Bundespräsidenten auf den Weg. Dabei ist ebendiese Personalie der nächste Test für Merkels Führungsstärke. Und sie wird nicht darauf vertrauen können, dass ihr Friedrich Merz erneut zu Hilfe kommt. RALPH BOLLMANN