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Archiv-Artikel

Forensische Standortfrage unerwünscht

Die CDU in Nordrhein-Westfalen fordert von der Landesregierung neue Plätze für den Maßregelvollzug. Die Standortfrage bleibt dabei allerdings außen vor – aus Rücksicht auf die Kommunalwahlkämpfer vor Ort

RUHR taz ■ Die CDU in Nordrhein-Westfalen fordert zusätzliche Plätze für psychisch kranke Straftäter. Die von der Landesregierung zugesagten 470 zusätzlichen Forensik-Plätze an sechs neuen Standorten seien nicht genug. Für rund 2.050 psychisch kranke Straftäter stünden nur 1.300 Betten zur Verfügung. „Bis zum Jahr 2007 wird die Zahl noch steigen“, sagt der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach. Außerdem fordert er spezielle Langzeit-Einrichtungen für nicht therapierbare Straftäter im Maßregelvollzug, um die forensischen Kliniken zu entlasten. Zur Standortfrage wolle er „ausdrücklich“ keine Aussagen machen. Die Landesregierung plant neue Kliniken in Dortmund, Duisburg, Essen, Herne, Köln und Münster.

Die Zurückhaltung Biesenbachs ist knapp vier Wochen vor der Kommunalwahl keine Überraschung. Denn besonders in den Städten Duisburg und Herne gibt es Widerstand gegen die Regierungspläne. „Wir halten den Standort Duisburg-Hohenbudberg für ungeeignet“, sagt Klaus Mönnicks (CDU), Ratsherr der Stadt Duisburg und Vorsitzender der Bezirksfraktion Rheinhausen. „Dem Forensikgedanken an sich stehen wir positiv gegenüber.“ Darin seien sich CDU in Land und Kommune einig. Der Stadtbezirk unterstütze allerdings die Klage der „Interessengemeinschaft Hohenbudberg“ gegen den Standort. Im Bauvorbescheid hatte die Interessensgemeinschaft etliche Fehler entdeckt und beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht. Die Bezirksregierung Düsseldorf zog den Bescheid darauf hin zurück. Im Juli wurde einem nachgebesserten Bescheid statt gegeben.

„Zu prüfen wäre jetzt, ob der Ratsbeschluss für den Standort durch die Nachbesserungen immer noch gültig ist“, fordert Mönnicks. Die Landesregierung um Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) sowie der Rat, insbesondere Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling (SPD), hätten über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden. „Das werden wir auch in Zukunft kritisieren“, sagt Mönnicks. Von wahlkampftaktischen Manövern könne aber keine Rede sein. „Wir sprechen das Thema Forensik schon seit zwei Jahren an“, so Mönnicks.

Anders geht es der CDU in Herne. Die Stadt hat mit den Fraktionen von SPD, CDU und Grünen vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage gegen den Standort Herne-Bickern eingelegt. Unterstützung kommt allerdings von der CDU-Fraktion im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Der LWL ist als Klinikbetreiber vorgesehen. Die CDU-Mehrheit im LWL sprach sich gegen die Gründung eines forensischen Planungsbeirates aus – man wolle erst den Gerichtsentscheid abwarten, hieß es.

Wahrscheinlich wird das Thema bis zur Kommunalwahl am 26. September ausgesessen. Im Herner Wahlkampf könnte das Thema Forensik die entscheidende Rolle spielen. Innerparteiliche Widersprüche können dabei nur schaden: Die Herner SPD lehnt den Standort ab, die Landesregierung ist dafür. Ein Kon-flikt, der die Partei vor die Zerreißprobe stellt. Auch nach der Kommunalwahl. Bei der Kandidatenaufstellung zur Landtagswahl 2005 im Wahlkreis 109 (Bochum III/Herne II) wäre Ministerin Fischer fast am Thema Forensik gescheitert. Die Delegierten aus Herne verweigerten ihr die Stimme. Eine ähnliche Angriffsfläche wird die Landes-CDU den Wählern nicht bieten wollen.

HOLGER PAULER