Der letzte Seufzer der Apartheidschergen

Ende einer Ära: Südafrikas Nationalpartei löst sich auf. Seit gestern wechseln ihre Führer zum ANC. Das tut weh

JOHANNESBURG taz ■ Lange vorhergesagt war der Tod der ehemaligen Apartheidpartei in Südafrika, und jetzt ist es so weit: Seit gestern haben Mandatsträger der „Neuen Nationalpartei“ (NNP), die unter dem Namen „Nationalpartei“ Südafrika von 1948 bis 1994 als Apartheidstaat regierte, 14 Tage Zeit, sich einer anderen Partei anzuschließen. So wird sich zeigen, wie viele Politiker der NNP ihrem Parteivorsitzenden Marthinus van Schalkwyk folgen. Der hatte im August die Auflösung der NNP und seinen Beitritt zum regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) angekündigt. Die endgültige Auflösung der NNP an sich kann aus formalen Gründen erst 2006 erfolgen, aber schon ab Mitte September wird sie politisch nicht mehr existieren.

Gestern, am ersten Tag des Wechsels, traten in Kapstadt die ersten 23 NNP-Gemeinderäte zum ANC über – insgesamt gibt es in Südafrika 353 gewählte Kommunalpolitiker der Neuen Nationalpartei, während die Partei insgesamt rund 7.000 Mitglieder zählt. Kapstadt und Umgebung ist die letzte Hochburg der NNP, und der angekündigte Tod der Partei ist dort besonders kritisch. Kritiker aus den eigenen Reihen beschimpfen van Schalkwyk als Opportunisten. Schon nach den Parlamentswahlen im April ließ er sich von der ANC-Regierung mit dem Posten des Tourismusministers ausstatten. Bei den Wahlen im April war die Partei der Apartheidtechnokraten auf 1,65 Prozent abgerutscht – 250.000 Wähler. Selbst die meisten Weißen wandten sich von ihr ab. Bei den Wahlen von 1994 hatte die Nationalpartei noch 20 Prozent bekommen.

„Wir werden sicherlich einige NNP-Mitglieder im ANC wiedertreffen“, meint Adam Habib, stellvertretender Direktor des „Human Sciences and Research Council“ in Pretoria. „Manche werden aber in der Wirtschaft ihr Geld machen und andere zu der offiziellen Opposition wechseln – zur Demokratischen Allianz“. Die DA, liberaler als die NNP, ist nach dem ANC die zweitgrößte Partei Südafrikas. Eine weitere Wechselmöglichkeit für heimatlose NNP-Mitglieder bietet die neue Partei der Unabhängigen Demokraten (ID) unter Patricia de Lille, eine ANC-Abspaltung, die im April auf Anhieb auf zwei Prozent kam und die NNP überflügelte.

NNP-Führer van Schalkwyk argumentiert, der ANC sei die einzige Partei in Südafrika, die Schwarz und Weiß versöhnen könne. Das ist auch taktisch gedacht: „Es macht mehr Sinn für die NNP, sich für die Kommunalwahlen im nächsten Jahr Sicherheit im ANC zu suchen“, meint Jonathan Faul vom Südafrikanischen Institut für Unabhängige Demokratie (Idasa) in Kapstadt. Der ANC ist dafür aufgeschlossen, festigt er damit doch seine Stellung in Südafrika weiter.

„Der ANC will mit der Aufnahme der NNP ein Signal an alle Gemeinschaften senden, dass in der Regierungspartei Platz für sie ist“, meint der Politologe Adam Habib. Den Griff nach einem Ein-Parteien-Staat sieht er darin nicht: Der ANC hält sowieso die Zweidrittelmehrheit im Land. „Aber van Schalkwyk wird nicht die erhofften Stimmen aus dem NNP-Lager mitbringen“, so Habib. „Es fehlt das Vertrauen.“ Van Schalkwyk, der jetzt durch das Land tingelt und bei seinen weißen Anhängern für den ANC wirbt, reiche als Staatsmann nicht an seine mächtigen Vorgänger heran, zuletzt Expräsident Frederick W. de Klerk, der Anfang der 90er-Jahre mit Nelson Mandela das Ende der Apartheid aushandelte.

De Klerk – der nach dem ANC-Wahlsieg 1994 zwei Jahre lang zusammen mit Mandela in einer Regierung der Nationalen Einheit saß – hat nun angesichts der Entwicklung der NNP seinen Austritt angekündigt.

MARTINA SCHWIKOWSKI