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Archiv-Artikel

Wiener Koalition droht neue Krise

Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol dürfte der kleine Koalitionspartner FPÖ abstürzen. Die beiden ÖVP-Landeshauptmänner peilen die absolute Mehrheit an. Ihr Erfolgsrezept: eine klare Abgrenzung von der Bundespolitik

aus Wien RALF LEONHARD

Ein zweistelliges Ergebnis wünschen sich die freiheitlichen Spitzenleute bei den Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol am kommenden Sonntag. 10,0 Prozent verheißen die Meinungsforscher. In Oberösterreich könnte die Halbierung des Ergebnisses von 1999 (20,6 Prozent) schon als Erfolg verkauft werden. Wie verzweifelt um jede Stimme gerungen wird, zeigt das Versprechen, jedem Teilnehmer an einer Wahlveranstaltung am Samstag 20 Euro zu zahlen. In Tirol hatten die Haider-Leute 19,6 Prozent. Wahrscheinlich werden sie hinter die Grünen auf den vierten Platz zurückfallen.

Die programmierten Schlappen in der Provinz lassen nach Meinung der Polit-Auguren für die Tage nach dem 28. September bereits die nächste große Koalitionskrise heraufdämmern. Der beständige Abstieg der FPÖ seit ihrem Eintritt in die Regierung mit der ÖVP vor dreieinhalb Jahren wäre leichter zu verkraften, wenn nicht der Koalitionspartner ebenso beständig zulegen würde. Alle Skandale und sozialen Einschnitte müssen die Freiheitlichen allein ausbaden.

In Tirol wäre alles andere als eine absolute Mehrheit für den amtierenden Landeshauptmann Herwig van Staa (ÖVP) eine Sensation. Aber auch SPÖ und Grüne werden auf Kosten der FPÖ wachsen. Dem Ex-Innsbrucker Bürgermeister van Staa kommt zugute, dass er mit der Mutterpartei seit je im Clinch liegt. Jeder wisse, dass er „kein Intimfreund von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel“ sei, sagte er im Wahlkampf und grenzte sich klar von der unpopulären Pensionsreform wie der Neuauflage der schwarz-blauen Koalition ab.

Während Schüssel und die Bundes-ÖVP an Popularität verloren haben, erfreuen sich die christdemokratischen Landesfürsten ungebrochener Beliebtheit. Nicht zuletzt, weil sie den Eindruck vermitteln, sie hätten mit den Entscheidungen ihrer Partei in Wien nichts zu tun.

Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer setzte auf diese Karte. Wolfgang Schüssel und Co. empfahl er die Lektüre der christlichen Soziallehre, denn im neoliberalen Spar- und Privatisierungskurs der Regierung würde er die ursprünglichen Prinzipen seiner Partei nicht wiedererkennen. Auch er steuerte in Richtung absolute Mehrheit (1997: 42,7 Prozent), bis die Regierung die Privatisierung des Staatsanteils am ehemaligen Flaggschiff der verstaatlichten Industrie, der Linzer Vöest AG, ankündigte.

Die SPÖ machte den drohenden Ausverkauf des Edelstahlwerks zum Wahlkampfschlager und erreichte, dass alle vier Landesparteien sich gegen den Verkauf stark machten. Nach dem Auffliegen von Geheimverhandlungen mit dem Magna-Konzern, dessen Vize Siegfried Wolf im Aufsichtsrat der Verstaatlichten-Holding ÖIAG sitzt, machte Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Ex-Angestellter von Magna mit Rückkehrrecht, einen Rückzieher und beschloss, die Staatsanteile an die Börse zu bringen. Daraufhin wurden in Linz die skurrilsten Pläne gewälzt, wie das Land Oberösterreich eine Sperrminorität erwerben und den Verbleib von Stahlwerk und Arbeitsplätzen sichern könnte.

Der Wirbel hat Pühringers Ambitionen geschadet. Jeder Zugewinn wäre ein Erfolg. Die Meinungsforscher sind sich uneinig, wie der verunglückte Börsegang sich am Sonntag auswirken wird.

SPÖ-Spitzenmann Erich Haider hat Aufwind. Und auch die Grünen rechnen sich gute Chancen auf ihren ersten Sitz in der Landesregierung aus. Was den Freiheitlichen am meisten schadet, ist ihre Zerrissenheit. Auch im Kabinett Schüssel II können sie sich nicht zwischen Regierung und Opposition entscheiden. Immer wenn sie merken, die Pläne der ÖVP sind unpopulär, drohen sie mit Aufstand. Vizekanzler Herbert Haupt versucht vergeblich, Jörg Haiders Kampfansagen als regierungskompatibel darzustellen. Koalitionsintern wird regelmäßig Opposition gemacht, bis die SPÖ versucht, die FPÖ festzunageln und zu einer gemeinsamen Abstimmung im Parlament zu verführen. Haupt wird dann in letzter Sekunde vor dem entscheidenden Ministerrat umgedreht.

Das war bei der Pensionsreform so, beim Kauf der Eurofighters und beim Vöest-Verkauf. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer musste sich für ein öffentliches Spargelessen mit Jörg Haider im Mai auch von den eigenen Genossen prügeln lassen. Denn politische Früchte hat dieser Tabubruch nicht gebracht. Ein zweites Mal will er offenbar die Regierung nicht in die Luft sprengen. Denn seine Partei könnte dabei endgültig untergehen.