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Archiv-Artikel

Einsame Herzen erkranken schneller

Umweltverschmutzung, Stress und eine nervenzehrende Nachbarschaft: Wissenschaftler entdeckten zahlreiche neue Ursachen für den Herzinfarkt

Denkt man an die Risikofaktoren von Herzinfarkt, denken viele erst einmal an hohe Cholesterin- und Zuckerwerte oder an Rauchen oder Bluthochdruck. Doch aktuelle wissenschaftliche Erhebungen zeigen, dass es noch zahlreiche andere Faktoren gibt.

Wie etwa eine schlechte Nachbarschaft. Ein Forscherteam der Harvard-Universität in Boston fand heraus: Wer in einem sozial unterprivilegierten Stadtviertel wohnt, hat eine um 30 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, am Infarkt zu sterben. Offen ist, warum das so ist. Wahrscheinlich spielen, wie Studienleiterin Cathryn Tone vermutet, „mehrere Faktoren eine Rolle“. So leiden Menschen aus sozialen Unterschichten bekanntermaßen unter vielfältigem Stress, von Hygienemängeln und Luftverschmutzung über Erziehungsstress bis zur Arbeitslosigkeit.

Auch Einsamkeit nagt am Herzen. Eine weitere Studie der Harvard-Universität an 826 älteren Menschen brachte heraus, dass sozial isolierte Männer eine starke Entzündungsneigung in ihren Blutgefäßen haben. Erstaunlich: Bei Frauen konnte dieser Effekt nicht beobachtet werden. Sie kommen also offenbar besser damit zurecht, wenn ihr Partner stirbt oder sie verlässt.

Schon länger wird vermutet, dass Menschen mit so genanntem A-Typ-Verhalten – aggressiv, kontrollierend, leistungsorientiert – ein erhöhtes Infarktrisiko haben. Blutuntersuchungen konnten nun belegen, dass ein feindseliges Verhalten die Neigung zu ungünstigen Cholesterinspiegeln verstärkt. Ähnliches wurde auch beobachtet bei Menschen, die unter beruflicher Anspannung stehen.

Luftverschmutzung galt bisher vor allem als Risikofaktor für Atemwegserkrankungen. Eine Studie aus dem extrem smogbelasteten Athen gibt nun aber auch Hinweise darauf, dass dies auch für Herzerkrankungen gilt.

„In Zeiten starker Verschmutzung, in denen die Kohlenmonoxidkonzentration um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter ansteigt, sterben 46 Prozent mehr Patienten am herzbedingten Problemen“, berichtet Studienautor Demosthenes Panagiotakos.

Dass gefährliche Ablagerungen in den Blutgefäßen einen Zusammenhang mit Infektionen haben, ist schon länger bekannt. Doch gleich mehrere Forschungsarbeiten zeigen außerdem, dass häufige Grippeinfektionen das Risiko für Infarkte erhöhen. Andersherum scheinen Grippeimpfungen das Risiko zu senken. Weswegen denn auch schon Experten fordern, die Grippenschutzimpfung in den offiziellen Leitlinien für die Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufzunehmen.

Schließlich führt auch eine schlechte Krankenversicherung zum Anstieg des Infarktrisikos. Vermutlich, weil dadurch die Vorsorgeuntersuchungen vernachlässigt werden und weil schlecht versicherte Menschen mehr unter herzbelastender Angst leiden. Dies sind zwar die Ergebnisse aus US-amerikanischen Studien, doch die Münchner Medizinische Wochenzeitschrift warnt schon davor, „dass wir in Anbetracht der derzeit diskutierten Reformansätze demnächst auch in Deutschland derartige Zusammenhänge berücksichtigten müssen“. JÖRG ZITTLAU