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Archiv-Artikel

Die Rache der Müllmänner

Die Entsorgungsbranche ist in Aufruhr, seit Insider das Kartellamt alarmierten:Auf der „Entsorga“-Messe beginnt ein Spießrutenlauf für die Nestbeschmutzer

KÖLN taz ■ Wenn Hans-Günther Fischer über die Kölner Müll-Messe „Entsorga“ geht, hat er kaum noch einen Blick übrig für die grell orange leuchtenden Uniformen und Entsorgungsfahrzeuge. Er muss mit den Tiraden und Drohungen fertig werden, mit denen ihn Unternehmer auf seinen Rundgängen überziehen. „Ein Geschäftsführer kam auf mich zu und sagte: Sie haben Glück gehabt, das Sie nicht gerade in mein Messer hineingerannt sind“, erzählt Fischer. Er ist Geschäftsführer des 600 Mitglieder starken „Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung“ (BVSE) und hat etwas gemacht, was in der Branche unüblich ist: schmutzige Geschäfte anprangern. Aber Fischer bleibt dabei: „Wer sich nicht an die Spielregeln hält, sollte des Feldes verwiesen werden.“

Spätestens seit das Bundeskartellamt und die Kölner Staatsanwaltschaft kürzlich bundesweit 120 Müllfirmen durchsuchen ließen, liegen im Entsorgungsgeschäft die Nerven blank. Es geht um den Vorwurf illegaler Absprachen bei Ausschreibungen des Dualen Systems. Das Kartellamt vermutet, dass sich die Entsorger vorab geeinigt hätten, wer sich bei welcher Ausschreibung beteiligt – um so höhere Preise zu erzielen als im Wettbewerb untereinander.

Und die Ermittlungen werden sogar noch ausgedehnt, wie Bundeskartellamtssprecherin Anja Scheidgen der taz sagte. Weitere 600 Unternehmen bekämen in den nächsten Tagen Post von der Behörde. Dabei handele es sich um so genannte Zeugenbefragungen. Die Firmen hätten zuvor die Ausschreibungsunterlagen beim Dualen System angefordert, dann aber kein Angebot abgegeben. Die Ermittlungen werden noch monatelang dauern, heißt es aus Justizkreisen.

Wie blank die Nerven liegen, berichtet der BVSE-Präsident Hans Jürgen Cierzon der taz: Mehrere Mitarbeiter seien nach den Durchsuchungen bedroht worden. „Ich hau dir was auf die Schnauze, wenn ich dich das nächste Mal sehe“, hätten die Anrufer aus der Branche gesagt. Cierzons Vermutung: An die Durchsuchungsbeschlüsse waren offenbar Listen mit Namen von Personen angehängt worden, die den Absprache-Verdacht bestätigt hatten. Inzwischen habe man die Kölner Staatsanwaltschaft über die Drohungen informiert.

Im Gegensatz zu Fischer und Cierzon wird Franz-Rainer Billigmann an den Ständen auf der „Entsorga“ freundlich begrüßt. Er ist Geschäftsführer des „Bundesverbandes der Entsorgungswirtschaft“ (BDE) und mit 900 Mitgliedern größer als der andere Müllunternehmerverband BVSE. Und der BDE kann und will sich gar nicht vorstellen, dass es wirklich illegale Praktiken gegeben haben soll: „Es ist nicht gerechtfertigt, mit welchem Kesseltreiben durch flächendeckende Untersuchungen diese Branche in Misskredit gebracht wird“, ereifert sich Billigmann.

Gemeinsam rüsten sich die Saubermänner vom Müll unterdessen für den großen „Publikumstag“. Denn am morgigen Samstag ist die „Entsorga“ für die Öffentlichkeit geöffnet. Nach den vielen Müllskandalen in der Region hat sich inzwischen ein ganz besonderes Interesse an der Entsorgungswirtschaft herausgebildet: „Korrupte gucken gehen.“ Doch darauf hat sich die Branche schon eingestellt: Kritische Fragen, sagen BDE wie BVSE, werde man offen beantworten. Zur Ablenkung denkt man nicht nur an die Kinder und ihre Liebe zu Müllautos in jeder Farbe, sondern auch an die Großen: Ihnen wird die neueste Kleidermode für den Müllmann von heute präsentiert.

PASCAL BEUCKER, FRANK ÜBERALL