Steffi im Herzen

Trotz eines Aufgebots an Weltklassespielerinnen interessiert sich Leipzig nicht wirklich für sein Tennisturnier. Nun hofft man auf den Olympiaeffekt und einen neuen Star aus deutschen Landen

aus Leipzig ANDREAS RÜTTENAUER

Sie hatten sich bescheidene Ziele gesetzt, die Veranstalter des mit 585.000 Dollar dotierten WTA-Turniers in der Leipziger Arena. So war es nicht schwer, die Erwartungen zu übertreffen. „Mit 25.000 Zuschauern an den neun Tagen wäre ich schon zufrieden“, meinte Turnierdirektor Henner Ziegfeld zu Beginn der Veranstaltung. Am Ende waren mehr als 30.000 Tennisfans in die schmucke Halle neben dem Zentralstadion gekommen. Die Veranstalter zeigten sich also zufrieden.

Dennoch wird auch ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass diese Plansollübererfüllung nur durch das gut besuchte Finalwochenende zustande kam. Als die Russin Anastasia Myskina am gestrigen Sonntag das Finale gegen US-Open-Siegerin Justine Henin-Ardenne sensationell mit 3:6, 6:3, 6:3 gewann, waren die Ränge voll. Unter der Woche allerdings hatte die Halle bisweilen einen traurigen Anblick geboten. Beim ersten Spiel der Weltranglistenersten Kim Clijsters verloren sich gerade einmal wohlwollend geschätzte 1.000 Zuschauer in der Arena. Am Mittwoch, beim „Fit-for-Fun-Tag“, hatten Schüler und Studenten freien Eintritt, doch die Leipziger Jugend hatte Besseres vor, als sich mit Tennis zu beschäftigen.

Das Turnier in der Heldenstadt lebt immer noch ein wenig von seiner Vergangenheit, als sich Steffi Graf in der ein wenig improvisiert wirkenden Messehalle 7 in die Herzen der Leipziger spielte. Doch Turnierdirektor Ziegfeld glaubt an die Zukunft des Turniers. Es müsse nur eine deutsche Spielerin den Durchbruch in die Weltspitze schaffen, dann werde alles gut. Doch der Weg dahin ist weit. Und so gab es aus Leipzig nicht viel zu berichten von den deutschen Tennisspielerinnen. Für Schlagzeilen sorgten vor allem zwei, die gar nicht spielen durften: Anca Barna, als Nummer 51 der Weltrangliste derzeit die Nummer eins im deutschen Tennis, hatte sich darauf verlassen, eine Wildcard zu erhalten. Der DTB schlug jedoch die jüngere Anna-Lena Groenefeld für das Hauptfeld vor, woraufhin Barna ankündigte, nicht mehr für das Federationcup-Team antreten zu wollen.

Die andere deutsche Tennisspielerin, über die in Leipzig gesprochen wurde, ist eine gewisse Gerda Petzsch. Die spielte im Jahre 1972 bei einem Jugendvergleich der DDR-Tennisauswahl gegen die CSSR gegen Martina Navratilova. Die Turnierleitung organisierte ein Treffen zwischen der Dresdnerin und Martina Navratilova, die in der Doppelkonkurrenz zusammen mit Svetlana Kuznetsova bis ins Finale vorstieß. Shakehands, Küsschen links, Küsschen rechts und die Frage Petzschs, ob sich Navratilova an den Vergleich in Aschersleben erinnern könne. „Haben wir gewonnen?“, fragte die spielende Tennislegende und ballte die Faust. Alles lachte. Dann drängte sich ein Dutzend Journalisten um Frau Petzsch, und die ehemals sechste der DDR-Rangliste war so etwas wie der deutsche Star des Turniers.

Dennoch dürfte Tennis in Leipzig eine Zukunft haben. Die Olympiabewerbung sorgt für reichlich Rückenwind. Die Politik unterstützt die Veranstalter. Leipzigs Sportbürgermeister Holger Tschense sicherte den Organisatoren zu, dass sie auch im nächsten Jahr die Arena mietfrei nutzen dürften. Zudem zahlt die Stadt einen Betriebskostenzuschuss von 25.000 Euro. Denn nur mit Hilfe des Steuerzahlers hat die Veranstaltung eine Chance, über die nächsten Jahre zu kommen. Aus eigener Kraft ist das Turnier wohl nur zu retten, wenn tatsächlich ein neuer deutscher Tennisstern am Firmament aufleuchtet.

Die 18-jährige Anna-Lena Groenefeld hat sich in dieser Hinsicht viel vorgenommen. Seit sie im Frühjahr das Juniorenturnier der French Open gewonnen hat, kennt sie nichts anderes mehr als Tennis. Sie ist nach Phoenix in den USA umgesiedelt, um sich dort in einem Tennis-Camp zu verbessern. Ihr Erstrundensieg über die ehemalige Spitzenspielerin Barbara Schett aus Österreich wurde in Leipzig gefeiert, als sei sie auf dem besten Weg zum Star. In Runde zwei kam gegen die Russin Nadia Petrowa dann das Aus, und niemand redete mehr über das deutsche Frauentennis.

Danach richteten sich alle Blicke auf die Nummer eins und zwei der Welt, die beide in Leipzig angetreten waren. Henin-Hardenne und Clijsters waren auf dem besten Weg ins rein belgische Finale, als eine Knöchelverletzung der Weltranglistenersten der Russin Myskina den Weg ins Endspiel ebnete. Im anderen Halbfinale fertigte Henin-Hardenne die bemitleidenswerte Qualifikantin Maria Vento-Kabchi aus Venezuela mit 6:0 und 6:3 ab. Die vielen Zuschauer am Halbfinaltag staunten nicht schlecht über die gewaltigen Schläge und den unbedingten Willen von Henin-Hardenne. Von einer Deutschen haben sie das schon lange nicht mehr zu sehen bekommen.