Urlaub im Kino

Tschechisch eben: Bohdan Slámas Film „Wilde Bienen“

Nach manchen Filmen hat man das Gefühl, in einem anderen Land gewesen zu sein. Und wie bei einer Reise in ein fremdes Land ist man während der ersten Minuten des tschechischen Films „Wilde Bienen“ verwirrt. Man weiß nicht genau, worum es geht. Es gibt ein Gespräch zwischen einem philosophierenden Vater und seinem schweigsamen Sohn Kaja. Dann sieht man den Sohn bei seiner Arbeit. Am frühen Morgen holt er Wasser vom Fluss, für Waldarbeiterinnen im Seniorenalter, die in einer Hütte kreischen, singen, saufen, dösen und ununterbrochen rauchen. Das bleiche Licht der ländlichen Landschaft, die Häuser, Hütten, Wohnungen der Leute, die bunten Kittel der rauchenden und trinkenden Omas, die alte Arbeitskleidung der Männer, die Gemächlichkeit, mit der Bohdan Sláma seine Geschichte entwickelt: Dies alles wirkt zugleich fremd und vertraut und erinnert durch den häufigen Einsatz von Handkameras an sympathisch ländliche Dokumentarfilme aus dem ehemaligen Ostblock.

Das Schöne an „Wilde Bienen“ ist, dass die einfache Geschichte – der brave Kaja liebt Boschka, die aber mit Ladja, dem dörflichen Michael-Jackson-Imitator, zusammen ist – nicht wichtiger ist als die Gegend, in der sie spielt. Die Menschen in dem Film sind zwar eigen, aber nichts Besonderes und eher ein Ausdruck der gesellschaftlichen Zwänge, denen sie in Arbeit und Familie folgen, als selbst bestimmte Autoren ihres eigenen Lebens, wie man sie aus westlichen Filmen kennt. Die Mutter von Boschka ist eine Hure, Flaschen kippen unter ihrem Bett um, wenn sie's mit ihren Kunden macht. Die Lautsprecher, die früher bei kommunistischen Festveranstaltungen eine Rolle spielten, beschallen nun den sandigen Dorfplatz mit entnervenden Radiosendungen. Ladja, der Michael-Jackson-Imitator, fährt ein rotes Moped, ist angeblich reich, führt manchmal große Reden, ist aber doch ein sensibler Außenseiter, der sich mit seinem Fantum vor der Welt schützt.

Kommunikationszentrum des Dorfes ist ein Laden, in dem Boschka arbeitet. Manche sind spielsüchtig, manche trinken zu viel, die Liebe zwischen dem Michael-Jackson-Imitator und Boschka erkaltet, während Kaja zu Boschka findet; am Rande, vielleicht ein Selbstzitat des Filmers, gibt es einen Großstädter, der ständig Aufnahmen mit seiner Videokamera macht. Ohne je seine Helden zu denunzieren, bedient „Wilde Bienen“ zwar möglicherweise Klischees, die man über mitteleuropäisches Landleben haben mag, doch diese Klischees sind nicht geläufig genug, um zu nerven. Gerade in Zeiten einer globalisierten westlichen Filmsprache ist „Wilde Bienen“ jedenfalls ein angenehm gemächlicher Film, und nach der Vorführung hat man das Gefühl, im Urlaub gewesen zu sein. DETLEF KUHLBRODT

„Wilde Bienen“. Regie: Bohdan Sláma. Mit Tatiana Vilhelmova, Pavel Liska u. a., Tschechische Republik 2001, 94 Min.