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Proteste gegen FlüchtlingslagerOldenburgs Angst

Die Stadt Oldenburg will Flüchtlinge in einer Massenunterkunft am Stadtrand unterbringen. AnwohnerInnen empören sich - mit fremdenfeindlichen Tönen.

Keine Wahlheimat: 160 Flüchtlinge sollen in einem Fliegerhorst in Oldenburg untergebracht werden. Bild: dpa

BREMEN taz | Die Stadt Oldenburg erwartet in den kommenden Monaten bis zu 400 Flüchtlinge. 160 von ihnen sollen nun in zwei Kasernengebäuden eines ehemaligen Fliegerhorstes am Rande der Stadt einquartiert werden. Das ruft Protest hervor - von Flüchtlingsinitiativen und Vorortspießern.

"Dass die den ganzen Tag rumgammeln und nachher hier frei rumlaufen, ja, dann haben alle Leute Bedenken", sagt ein graubärtiger Mann den Reportern des Oldenburger Lokalteils. In den Straßeninterviews der Onlinenachrichten nehmen die AnwohnerInnen der Flugplatzsiedlung Ofen-Brokhausen kein Blatt vor den Mund.

"Das sind arbeitslose junge Männer, die keine Mittel haben", sagt der Mann. Sein Nachbar hat Angst um die Frauen und Kinder in der Stadtrandsiedlung: "Ich verstehe nicht, dass die Asylanten so dicht in ein Wohngebiet rein müssen."

Eine Frau wünscht sich um das Gelände "am liebsten einen Zaun". Verlust der Lebensqualität, Lärm und Kriminalität sollen die "Asylanten" dem Ort bescheren. Rechtsradikal seien sie aber nicht.

1995 wohnten bereits 50 bosnische Flüchtlinge in der Kaserne. Man habe gut zusammengelebt, doch dann seien zu viele Männer gekommen. "Die Freundlichkeit war weg, die Fahrräder waren weg", sagt Ortsvorsteher Harald Bolting.

Darum wurden 173 Unterschriften gegen die Flüchtlingsunterbringung am Rand der Siedlung gesammelt und ein Brief an Oldenburgs Oberbürgermeister Gerd Schwandner geschrieben, vom "Ortsbürger- und Heimatverein Ofen".

Er enthält die Sorge vor alleinstehenden Asylbewerbern "die womöglich noch in der Pflicht stehen, ihre Schleuserkosten in irgendeiner Form zurückzahlen zu müssen". Der Brief formuliert aber auch Kritik an einer "Ghettoisierung" und dass eine dezentrale Unterbringung absehbare Probleme erst gar nicht entstehen lasse.

Das findet auch Mahamoudou Doukouré von der Interkulturellen Arbeitsstelle IBIS e.V.: "Die Politik der Massenlager führt dazu, dass Leute sich vor den Flüchtlingen fürchten. Die Stadt muss mehr informieren und erklären, dass wir ganz normale Menschen sind."

Doukouré lebte selbst drei Jahre zusammen mit 550 Flüchtlingen in der "Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber" (ZAAB) in Blankenburg in der Nähe Oldenburgs. Die unmenschlichen Zustände dort und in anderen Massenunterkünften kritisieren Flüchtlingsinitiativen seit Jahren. Die ZAAB wird nun, auch wegen anhaltenden Protests und Streiks der BewohnerInnen vom Land Niedersachen zum 30. Juni geschlossen.

Die Stadt war von der Aufnahme von Flüchtlingen seit 1990 "befreit". Nach der Schließung werden Oldenburg nun, wie anderen niedersächsischen Kommunen, zukünftig jährlich per Quote 90 und rückwirkend weitere 322 Flüchtlinge zugewiesen.

In einer Resolution hatte sich der Stadtrat 2006 einstimmig für eine dezentrale Unterbringung und die Überprüfung der Lagerzustände ausgesprochen.

In der Erfüllung der Aufnahmequote von Flüchtlingen greift die Stadt nun aber doch wieder zur Gemeinschaftsunterkunft. Wegen Oldenburgs Wohnungsnot, begründet dies der Bürgermeister in seiner Antwort an den Ortsverein. Diese Massenunterbringung findet Doukouré furchtbar, genauso wie den Rassismus der Eingesessenen.

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9 Kommentare

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  • M
    Mauch

    Nachhilfeunterricht in politisch korrektem Verhalten! Ist das der Weg, der einen konstruktiven Dialog möglich macht? Stehen hinter dieser Sache nicht viel mehr Lobbyisten, die sich Gedanken um die Vermarktung von hochwertigen Neubaugebieten Gedanken machen. Häuser im Alexanderhaus kosten ca. 250.000 Euro. Genau gegenüber befände sich ein möglicher Zugang für Flüchtlinge ins Stadtgebiet Oldenburg, mit wesentlich günstigeren und häufigeren Busverbindungen ins Stadtgebiet. Die Stadt würde die Mehrkosten für die Tarifzonenüberschreitung sparen, da die Busverbindung im Stadtgebiet liegt.Aber welche Auswirkungen hätte dies auf die Grundstückspreise an der Alexanderstraße/ Oldenburg?

    Dies sollte man bei der Diskussion nicht außer Acht lassen.

  • M
    Mauch

    Nachhilfeunterricht in politisch korrektem Verhalten! Ist das der Weg, der einen konstruktiven Dialog möglich macht? Stehen hinter dieser Sache nicht viel mehr Lobbyisten, die sich Gedanken um die Vermarktung von hochwertigen Neubaugebieten Gedanken machen. Häuser im Alexanderhaus kosten ca. 250.000 Euro. Genau gegenüber befände sich ein möglicher Zugang für Flüchtlinge ins Stadtgebiet Oldenburg, mit wesentlich günstigeren und häufigeren Busverbindungen ins Stadtgebiet. Die Stadt würde die Mehrkosten für die Tarifzonenüberschreitung sparen, da die Busverbindung im Stadtgebiet liegt.Aber welche Auswirkungen hätte dies auf die Grundstückspreise an der Alexanderstraße/ Oldenburg?

    Dies sollte man bei der Diskussion nicht außer Acht lassen.

  • RB
    Reyhan Bolat

    Man könnte den Flüchtlingen doch ein paar Jobs in der TAZ-Redaktion geben!

  • T
    Toby

    Wohnungsnot? Freund S hat schon als mittelloser Student in Oldenburg luxuriöser gewohnt, als mancher Berliner Besserverdiener, den ich kenne.

    Die Politik der Lagerunterkunft für Flüchtlinge muß aufhören. Überhaupt muß Politik auch alles tun um Ghettobildung zu verhindern. Zuwandererghettos ebenso, wie Reichenghettos. Nur Durchmischung macht das Einüben friedlichen Miteinanders in der Vielheit überhaupt erst möglich. Jede Art von Ghetto oder Lager ist eine Steilvorlage für undemokratisches Denken.

     

    @Jonas:

    Nicht nach Prenzelberg. Nach Schöneberg. Da wohne ich und ich hab nichts dagegen. Eine Wohnung in jedem Mehrparteienwohnhaus mit Flüchtlingen belegen, bis das Kontingent erreicht ist. So geht Nachbarschaft. Herzlich willkommen.

  • A
    antideutsch

    Und wieder der von den deutschen so geliebte rassismus wie eh und je... Zeig mir einen der sich selbst für deutsch hält und beweis mir das die person kein rassist ist... ich glaube das wird schwer zu leisten sein.

     

    aber: die sofortige ausstellung eines deutschen passes an jeden flüchtling in der bundesrepublik ist schon leistbar; nur politisch nicht gewollt... ein schande und ein armutszeugnis der verantwortlichen.

  • V
    vic

    Flüchtling, "Beim Eintritt hier lass alle Hoffnung fahren!"

     

    "Wir haben ja nichts gegen Ausländer..."

  • MB
    Matthias Brucke

    Moin,

     

    ich möchte an der Stelle darauf hinweisen, dass der Ortsbürgerverein Ofen (in dessen Vorstand ich bin), in einem offenen Brief an die Stadt die Sorgen der Menschen in Ofen zum Ausdruck gebracht hat und um einen Dialog zur Information und Entwicklung einer guten Lösung gebeten hat. Ich distanziere mich ausdrücklich von der Unterschriftenaktion einiger Leute aus dem Ort (die nur dagegen sind, ohne eine Lösung anbieten oder mit entwickeln zu wollen) und möchte als jemand, der sich gesellschaftlich engagiert, eigentlich auch nur ungern als Vorortspiesser bezeichnet werden. Aber offensichtlich passen Leute, die sich für ihren Wohnort engagieren ganz gut in das Feindschema der taz? ;)

  • J
    Jonas

    Alle Flüchtlinge nach Prenzlauer Berg, da können Taz-Redakteure und -Leser dann zeigen, wie man Toleranz richtig macht.

  • N
    Nikolai

    Die Bildunterschrift ist falsch. Der Fliegerhorst befindet sich in Oldenburg nicht in Osnabrück.