Bewährtes Schema

Mostafa Daneschs Buch über den „Krisenherd islamische Welt“ ist vom westlichen Blick geprägt

von ASHWIN RAMAN

In diesen Tagen wird viel im Namen Allahs produziert. Die Bücher ähneln sich fast immer. Der Umschlag informiert darüber, wie profiliert der Autor, wie anspruchsvoll sein Werk ist. Im Prolog übernimmt dieser selbst die Werbung in eigener Sache. Er erzählt, wie lange er sich mit dem Thema beschäftigt, wie viele Reisen er in diese Länder unternommen hat und wen er alles interviewte. Der Leser erwartet viel – und wird letztlich enttäuscht.

Das Buch des Persers Mostafa Danesch, Doktor der Politologie und seit 1965 in Deutschland, ist auch nicht frei von diesem bewährtem Schema. Sein Werk „Wer Allahs Wort missbraucht. Krisenherd islamische Welt“ lässt eine umfangreiche Analyse des islamischen Fundamentalismus erwarten. Aber es ist hauptsächlich ein Buch über Nordafghanistan und Kabul. Zudem erfahren wir, dass der Autor mehr als 70 Reisen nach Afghanistan und in die arabische Welt gemacht hat und der amerikanischen Außenpolitik nicht wohl gesinnt ist.

In der Einführung wird schnell klar, dass in diesem Buch nicht viel Neues zu erfahren ist. Die alte und viel propagierte „Analyse“ der westlichen Journalisten wird wiederholt: „Als die sowjetischen Truppen Afghanistan 1989 verließen, intensivierten die USA die Unterstützung radikalislamischer Gruppierungen massiv. Selbst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion endete das Engagement der USA nicht.“ Das stimmt so leider nicht. In islamischen Ländern wird zu Recht kritisiert, dass die USA nach dem Rückzug der Russen das Interesse an Afghanistan verloren und ein chaotisches, zerstörtes Land zurückgelassen haben.

Der ehemalige CIA-Offizier Robert Baer, der Arabisch, Persisch und Urdu spricht, beschreibt diese Ereignisse in seinen Memoiren detailliert. Und er zeigt, dass die Beobachtung dieser Länder in der Folge nur noch über Satelliten erfolgte. Die sporadischen Kontakte, die amerikanische Diplomaten zu den Taliban unterhielten, waren keineswegs eine Unterstützung von Fundamentalisten. Während des Dschihad gegen die Sowjetunion hat die US-Regierung die Mudschaheddin (Freiheitskämpfer) massiv unterstützt. Dies erfolgte über den pakistanischen Geheimdienst (ISI). Aber auch dies kann man beim besten Willen nicht als Hilfe für die islamischen Fundamentalismus werten. Es war vielmehr die Fortsetzung des Kalten Krieges.

Danesch ist sehr kritisch gegenüber Hamid Karsai und seiner Regierung in Afghanistan. Mit Recht schreibt er, dass sich um Karsai Drogenbarone und Kriegsverbrecher geschart hätten. Auf der anderen Seite bewundert er völlig unflektiert den usbekischen General Abdul Raschid Dostum: „Für einen Afghanen ist er ungewöhnlich groß, bestimmt ein Meter neunzig, eine wahrhaft stattliche Erscheinung. Unter den pechschwarzen, borstigen Haaren und den buschigen Brauen blitzen dem Betrachter schmale, aufmerksame Augen entgegen (…) Auf Menschen, die ihm zum ersten Mal begegnen, mag er düster und bedrohlich wirken; wer ihn besser kennt – und ich bin ihm seit zehn Jahren immer wieder begegnet –, weiß, dass er sehr humorvoll und offen sein kann.“

Nur: Keine anderer in der Geschichte Afghanistans hat so oft gewissenlos die Fronten gewechselt und mit solcher Grausamkeit seine Ziele verfolgt wie Dostum. Der pakistanische Journalist Ahmed Raschid erzählt zum Beispiel, dass er kurz vor einem Interview mit Dostum beobachtete, wie dieser einen Soldaten hinrichten ließ.

Auch die viel beachtete Revolte der Gefangenen in der Festung Kala-i-Dschangi interpretiert Danesch Dostum-freundlich. Der Aufstand wurde mit Hilfe amerikanischer Luftangriffe niedergeschlagen. Daneschs Darstellung dieser Ereignisse ist nur begrenzt richtig. Die Taliban und Al-Qaida-Kämpfer haben kapituliert, weil sie glaubten, sie würden amnestiert. Als sie dann in offenen Lkws Richtung Festung transportiert wurden, ahnten viele, was ihnen bevorstand, und haben Granaten und Gewehre unter ihrer Kleidung versteckt. Danesch dazu: „Er (Dostum) selbst sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, für ein Massaker verantwortlich zu sein, insbesondere in der deutschen Presse, die für den Usbeken grundsätzlich das pauschale Etikett ‚brutal und unberechenbar‘ bereithält.“ Zugegeben, die deutsche Presse liegt oft in ihrer Analyse falsch, aber in diesem Fall hätte Danesch gut daran getan, Dostums Gastfreundschaft nicht so oft in Anspruch zu nehmen.

Danesch selbst ist durchaus westlich geprägt. So fragte er Mitte der Neunzigerjahre im Interview den pakistanischen Innenminister Babur, warum dessen Ministerpräsidentin Benazir Bhutto eine frauenfeindliche Regierung wie die Taliban unterstütze. Damals hätte man auch Indira Gandhi fragen können, warum sie sich nicht für die Frauen in Indien einsetzt. Dass beide Politikerinnen nur aus dynastischen Gründen an die Macht gekommen sind und daher wenig an Frauenfragen interessiert waren, kommt Danesch nicht in den Sinn.

Schade an seinem Buch ist, dass man herzlich wenig über die einfachen Menschen in Afghanistan erfährt. Hier und da gibt es die obligatorische Beschreibung einer Busfahrt oder eines Marktes. Das war’s. Mit 38 Prozent sind die Paschtunen die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung. Man erfährt kaum etwas über diese Menschen. In Anbetracht der Tatsache, dass Danesch uns das Buch mit dem Untertitel „Krisenherd islamische Welt“ verkaufen will, ist es erstaunlich, dass gerade das Gebiet, wo der Taliban-Fundamentalismus seinen Anfang hatte, so wenig Beachtung findet.

Mostafa Danesch: „Wer Allahs Wort missbraucht. Krisenherd islamische Welt“, 320 Seiten, Hoffmann & Campe, Hamburg 2003, 21,90 €