Not-Schiedsrichter unter Beschuss

In einem dramatischen Spiel holt der THW Kiel in Hamburg den 22. Liga-Sieg in Folge – und liegt nun zehn Punkte vorn

Am Ende eines Spitzenspiels der Bundesliga, das vom Gastgeber HSV Handball und dem THW Kiel extrem hart geführt worden war, stand einmal mehr die Frage nach der Gerechtigkeit und der Fairness im Handball unbeantwortet im Raum. Gerade hatte Filip Jícha die Partie mit drei Treffen am Stück für Kiel entschieden, zuletzt per Siebenmeter in der Schlusssekunde zum 34 : 33 (15 : 15), – da trugen sich in der Hamburger Arena wilde Jagdszenen zu. Im Visier der zürnenden HSV-Anhänger unter den 13.170 Zuschauern standen die beiden kurzfristig für die Partie angesetzten Schiedsrichter Lars Geipel und Marcus Helbig.

Ordner mussten die beiden Unparteiischen, die mit einigen Entscheidungen gegen den HSV in der Schlussphase das Publikum gegen sich aufgebracht hatten, hastig zu ihrer Kabine geleiten. Sie sahen sich Wurfgeschossen wie Bechern und Hallenheften, drohenden Fäusten und Beschimpfungen ausgesetzt.

Diese Momentaufnahme fügt sich eindrucksvoll in das Gesamtbild ein, welches der Handballsport seit einigen Wochen abgibt. Bestechungsvorwürfe gegen den Rekordmeister THW Kiel, Ermittlungen durch die Kieler Staatsanwaltschaft, Andeutungen, Verdächtigungen, und schließlich am Wochenende auch noch die Nachricht, dass das bekannteste deutsche Schiedsrichtergespann – die Magdeburger Frank Lemme und Bernd Ullrich – nach Informationen des Spiegel ebenfalls tief in eine Bestechungsaffäre verstrickt sein soll – es sind keine guten Zeiten für den Handball im Frühjahr 2009.

Während sich die Hamburger durch die beiden Schiedsrichter Geipel und Helbig betrogen fühlten, dies aber in der Deutlichkeit öffentlich nicht formulierten, machten die THW-Spieler deutlich, dass sie dieses Themas überdrüssig sind. „Es hat in der letzten Zeit nur diese andere Geschichte gegeben. Unsere sportlichen Leistungen wurden doch gar nicht gewürdigt. Ich bin beim THW Kiel, um Handball zu spielen“, sagte der Kieler Nationalspieler Dominik Klein. Der unter Bestechungsverdacht geratene Manager des THW Kiel, Uwe Schwenker, hält sich weiterhin im Urlaub auf. Nur eines steht fest: Der Handball hat noch lange nicht diese tiefe Vertrauenskrise überstanden. CHRISTIAN GÖRTZEN