Diakonie rechtfertigt Ein-Euro-Jobs

Mit der Verschlechterung ihrer finanziellen Lage will die westfälische Diakonie die Schaffung von bis zu 10.000 Arbeitsgelegenheiten nicht in Verbindung bringen. Sie tue dies als „Anwalt für die Schwachen und Benachteiligten“

MÜNSTER taz ■ Bis zu 10.000 Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose will die westfälische Diakonie in ihren Einrichtungen schaffen. Gleichzeitig bleibt der Spitzenverband der protestantischen Wohlfahrtspflege gegenüber der Einrichtung von 1-Euro-Jobs skeptisch: „Es stehen noch viele Fragen offen“, sagte Vorstandsmitglied Thomas Schächter am Montag in Münster. So sei unter anderem nicht klar, was unter Qualifizierung zu verstehen sei. Außerdem sollte oberstes Ziel bleiben, die Menschen zu fördern. „Wir dürfen den ersten Arbeitsmarkt nicht aus den Augen verlieren.“

Wie andere Wohlfahrtsverbände versucht die Diakonie in Sachen Hartz IV einen Spagat: Sie warnt vor den sozialen Folgen der großen Arbeitsmarktreform. Gleichzeitig kann sie aus Personalmangel billige Arbeitskräfte gut gebrauchen. Der Verband kündigte an, in den eigenen Reihen 43 von fast 150 Stellen abzubauen. Außerdem soll eine Tagungsstätte in Dortmund geschlossen werden. „Sinkende Einnahmen aus Kirchensteuern und die Kürzungen der Landeszuschüsse zwingen uns praktisch dazu“, sagt Vorstandsvorsitzender Günther Barenhoff. Die Landesregierung hat für den Doppelhaushalt 2004/2005 die Mittel um 40 Prozent reduziert.

Doch auch im Pflegebereich wird es personell enger: Nicht nur die Zahl der Zivildienstleistenden sinkt durch verkürzte Zeiten. „Vor allem im ambulanten Dienst ist das Personal in den vergangenen Jahren wegen marktwirtschaftlicher Konkurrenz radikal gekürzt worden“, so Barenhoff. Gleichzeitig steige der Bedarf an ambulanter Pflege an, besonders im Alten- und Behindertenbereich. „Das ist nicht mehr hinnehmbar“, sagt er.

500 Euro staatlichen Zuschuss sind für die Begleitung und Qualifizierung des Arbeitslosengeld II-Empfänger angesetzt: Als Ersatz für Fachkräfte sollen diese jedoch nicht eingesetzt werden. „Auch bei Vorgängermaßnahmen wie ‚Arbeit statt Sozialhilfe‘ ist es nicht zum Verdrängungswettbewerb gekommen“, so Barenhoff. Die Betroffenen würden nur zusätzliche Arbeiten verrichten. Die Vergabe und Begleitung von 1-Euro-Jobs will er als „anwaltschaftlichen Auftrag“ für Menschen ohne Arbeit ansehen.

Barenhoff stellt aber gleichzeitig Bedingungen: „Die Arbeitslosen sollen freiwillig bei uns arbeiten.“ Es sei nicht sinnvoll, wenn jemand nur aus Angst vor Leistungkürzungen in der Altenpflege tätig sei. Wie viel psychologische Begleitung für die Betroffenen nötig sei, könne man auch nicht abschätzen, ergänzt sein Vorstandkollege Schächter. „Ein drei Jahre Arbeitsloser hat sich verändert.“ Die Perspektive, durch einen 1-Euro-Job in geregelte Arbeitsverhältnisse zu kommen, hält Barenhoff auch für unwahrscheinlich: „Wo sind die Arbeitsplätze für alle Suchenden?“, fragt er. Kritisch sieht der Pfarrer auch die einseitige Kürzung, die der Staat zurzeit vornehme. Nicht einmal die Vermögenssteuer, nur der Zuwachs an Vermögen müsse besteuert werden und schon seien viele soziale Probleme im Land gelöst, so Barenhoff. „Aber so einfache Rechnungen funktionieren in der Politik nicht“, sagt er. NATALIE WIESMANN